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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Mannschaft nach Norden hin zurückzuführen, um über den Polarkreis hinauszugelangen, so lange die Jahreszeit das erlaubte… jetzt aber wurden wir nach Süden hinunter getragen…
    Nach der ersten Empfindung, deren ich erwähnte, trat bei dem Gedanken, daß die Strömung den Eisberg in dieser Richtung mitnahm, der Schrecken bald wieder die Herrschaft an.
    Der Leser wolle nur bedenken: Waren wir auch nicht mehr gestrandet, so mußten wir uns doch auf eine lange Ueberwinterung einrichten und darauf verzichten, einem der Walfänger zu begegnen, die ihrem Gewerbe zwischen den Orkneys, Neu-Georgien und den Sandwich-Inseln obliegen.
    Infolge des Zusammenstoßes, der unsern Eisberg wieder flott gemacht hatte, waren eine Menge Gegenstände ins Meer geschleudert worden, darunter die Böller der »Halbrane«, ihre Anker, Ketten und ein Theil der Maste und Raaen. Bezüglich der eigentlichen Ladung aber erwiesen sich die Verluste, Dank der klugen Maßregel, dieselbe geschützt unterzubringen, nach vorgenommener Besichtigung als ganz unbedeutend. Was wäre aber aus uns geworden, wenn alle unsere Vorräthe bei jenem Anprall vernichtet wurden?
    Eine Beobachtung im Laufe des Morgens lehrte dem Kapitän Len Guy, daß unser Eisberg nach Südosten hintrieb. In der Richtung der Strömung war also gar keine Veränderung eingetreten. Die anderen treibenden Massen hatten eben auch die gleiche Zugrichtung beibehalten und eine davon stieß dabei an die Ostseite unseres Eisberges an. Jetzt bildeten die beiden Eisberge einen einzigen, der sich mit der Geschwindigkeit von zwei Seemeilen in der Stunde fortbewegte.
    Besondere Beachtung verdiente die Unveränderlichkeit dieser Strömung, die vom Packeise an das Wasser des freien Meeres nach dem Südpole hintrieb. Gab es nun, entsprechend der Ansicht Maury’s, ein großes antarktisches Festland, so mußte die Strömung dieses entweder umkreisen oder das Land bot, durch eine breite Meeresstraße in zwei gleiche Theile geschieden, hinreichenden Durchzugsraum für diese Wassermassen und auch für die schwimmenden Massen, die sie auf ihrer Oberfläche trugen.
    Meiner Ansicht nach mußten wir hierüber bald Klarheit erlangen. Bei der Geschwindigkeit unserer Fortbewegung – zwei Seemeilen in der Stunde – genügten ja dreißig Stunden, um den axialen Punkt der Erdkugel zu erreichen, an dem die Meridiane zusammenliefen.
    Ob die Strömung freilich bis über den Pol selbst hinausging oder dort ein Land lag, das wir »anlaufen« konnten, das war eine andere Frage.
    Bei einem Gespräche, das ich mit dem Hochbootsmann hatte, äußerte dieser:
    »Ja, was zerbrechen Sie sich denn den Kopf darum, Herr Jeorling? Reicht die Strömung bis über den Pol hinaus, dann gehen wir mit, wenn nicht, na, dann eben nicht. Eine Eisscholle ist ja kein Schiff, und da sie weder Segel noch Steuerruder hat, treibt sie ebendahin, wie die Strömung selbst.
    – Das geb’ ich gerne zu, Hurliguerly, und gerade deshalb kam mir der Gedanke, daß, wenn zwei oder drei sich einschifften… auf dem Boote…
    – Immer noch derselbe Gedanke!… Sie erwarten Alles von Ihrem Boote!
    – Gewiß, denn wenn irgendwo ein Land vorhanden ist, wäre es dann nicht möglich, daß die Leute von der »Jane«…
    – Das angelaufen hätten, Herr Jeorling?… Vierhundert Meilen von der Insel Tsalal?…
    – Wer kann das wissen, Hochbootsmann?
    – Zugegeben, doch erlauben Sie mir die Bemerkung, daß solche Erwägungen erst am Platze sind, wenn sich ein Land zeigt… vorausgesetzt, daß sich ein solches zeigen werde. Unser Kapitän wird dann schon sehen, was sich mit Rücksicht auf die Zeit, die uns nun drängt, noch thun läßt. Aufhalten dürfen wir uns in diesen Gegenden nicht, und da uns der Eisberg schwerlich nach der Seite der Falklands oder der Kerguelen tragen wird, was thut’s, wenn wir auf einer andern Seite herauskommen? Das Wichtigste ist doch, den Polarkreis überschritten zu haben, ehe der Winter diesen absperrt.«
    Ich muß zugestehen, daß der gesunde Menschenverstand dem Hurliguerly diese Worte eingab.
    Während alle nöthigen Vorbereitungen entsprechend den Befehlen des Kapitän Len Guy in Angriff genommen und vom Lieutenant überwacht wurden, bestieg ich wiederholt den Gipfel unseres Eisberges. Dort, auf der höchsten Spitze sitzend und das Fernrohr in der Hand, durchmusterte ich unablässig den Horizont. Von Zeit zu Zeit wurde seine Kreislinie durch einen vorübertreibenden Eisberg unterbrochen oder durch wallende Nebelmassen

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