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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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verhüllt.
    Von dem Platze, den ich gegen hundertfünfzig Fuß über der Meeresfläche einnahm, schätzte ich meine Sehweite auf mehr als zwölf Seemeilen. Bis jetzt hatte sich noch keine Landlinie am Grunde des Himmels gezeigt.
    Zweimal erklomm auch der Kapitän diese Höhe, um ein Besteck zu machen.
    Das Ergebniß seiner Beobachtung an diesem Tage war:
    Westliche Länge: 67°19’.
    Südliche Breite: 89°21’.
    Hieraus ließ sich ein zweifacher Schluß ableiten.
    Der erste, daß die Strömung uns seit der letzten Aufnahme der Länge etwa um vierundzwanzig Grad nach Südosten verschlagen hatte.
    Der zweite, daß der Eisberg sich nicht mehr weiter als vierzig Seemeilen vom Südpole entfernt befand.
    Im Laufe dieses Tages wurde der größte Theil der Ladung ins Innere einer großen Aushöhlung geschafft, die der Hochbootsmann an der Ostseite des Eisbergs entdeckt hatte und wo, auch im Falle eines neuen Zusammenstoßes, Kisten und Fässer in Sicherheit waren. Dann halfen unsere Leute Endicott den Kochofen zwischen zwei Blöcken so aufzustellen, daß er sicher festgehalten wurde, und sie schafften auch mehrere Tonnen Kohlen in dessen Nähe.
    Diese verschiedenen Arbeiten vollzogen sich ohne Widerspruch und ohne Murren. Das Stillschweigen, das die Mannschaft bewahrte, war offenbar ein absichtliches. Wenn sie dem Kapitän Len Guy und dem Lieutenant jetzt gehorchte, geschah es, weil ihr nichts zugemuthet wurde, was nicht nothwendig und ohne Verzug auszuführen war. Doch würden unsere Leute auch mit der Zeit nicht wieder der Entmuthigung verfallen? Wenn die Autorität ihrer Vorgesetzten jetzt noch geachtet wurde, würde das nach einigen Tagen auch noch der Fall sein? Wir konnten wohl auf den Hochbootsmann – das war selbstverständlich – auf den Maat Hardie, wenn nicht auf Martin Holt, und vielleicht auf noch zwei oder drei der alten Leute sicher rechnen; doch ob die anderen, vorzüglich die Neuangeworbenen von den Falklands, die kein Ende dieser unglücklichen Reise sahen, wohl dem Verlangen widerstehen würden, sich des Bootes zu bemächtigen und damit zu entfliehen, wer konnte das wissen?
    Meiner Ansicht nach war dieser Fall indeß nicht zu befürchten, so lange der Eisberg noch weiter trieb, denn das Boot hätte ihn an Geschwindigkeit nicht übertreffen können. Strandete er aber ein zweites Mal, stieß er an das Ufer eines Festlands oder einer Insel, was würden die Unglücklichen dann nicht wagen, um den Schrecknissen einer Ueberwinterung zu entgehen?
    Ueber dieses Thema sprachen wir während des Mittagessens. Der Kapitän Len Guy und Jem West theilten die Anschauung, daß von dem Segelmeister und seinen Gefährten nichts untergenommen werden würde, so lange die schwimmende Masse weitertrieb. Immerhin sollte die Aufmerksamkeit keine Stunde außer Augen gelassen werden, denn Hearne flößte zu arges Mißtrauen ein, als daß man ihn je hätte unbeobachtet lassen können.
    Am Nachmittage, in der Zeit, wo der Mannschaft eine Ruhezeit vergönnt war, hatte ich wieder ein Zwiegespräch mit Dirk Peters.
    Ich hatte eben meinen gewohnten Platz auf dem Gipfel eingenommen, während der Kapitän Len Guy und Jem West nach dem Fuße des Eisbergs hinabgestiegen waren, um gewisse Merkzeichen an dessen Schwimmlinie nachzusehen. Diese Zeichen mußten zweimal binnen vierundzwanzig Stunden besichtigt werden, um zu erfahren, ob die Eintauchung des Eisbergs zu oder abnahm, d. h. ob eine Verlegung seines Schwerpunktes uns nicht mit einem erneuten Umsturz der ganzen Masse bedrohte.
    Ich saß bereits eine halbe Stunde da oben, als ich den Mestizen erblickte, der raschen Schrittes den Eiswall emporkletterte.
    Kam auch er hierher, um den Horizont so weit wie möglich zu überblicken, und mit der Hoffnung, ein Land zu entdecken, oder, was ich für wahrscheinlicher hielt, wünschte er mir einen Plan, der Arthur Pym betraf, mitzutheilen?
    Seit der Weiterbewegung des Eisbergs hatten wir keine drei Worte gewechselt.
     

    Das Fernrohr in der Hand, durchmusterte ich unablässig den Horizont. (S. 350.)
     
    Als der Mestize an mich herangekommen war, blieb er stehen, ließ den Blick über das uns umgebende Meer schweifen, suchte da, was ich selbst suchte, und fand auch nicht, was ich nicht gefunden hatte.
    Zwei bis drei Minuten verstrichen, ehe er das Wort an mich richtete, ja, er war vorher so mit sich selbst beschäftigt, daß ich mich fragte, ob er mich überhaupt gesehen hätte.
    Endlich lehnte er sich gegen einen Eisblock und ich glaubte, er

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