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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Hier ist Dirk Peters in seinem Element, wo er von dem Nebel nicht mehr belästigt wird, wie ein Polarbär! Er hat sich schon einmal aus schlimmster Lage gezogen, das wird ihm auch ein zweitesmal gelingen!«
    Ich ließ Hurliguerly reden, wenn ich auch recht gut wußte, daß der Mestize sich nur zur Seite hielt.
    Obwohl Dirk Peters trotz der Rufe des Hochbootsmannes, die ihn hatten erreichen müssen, hartnäckig keine Antwort gab, war es zunächst doch unmöglich nach ihm zu suchen.
    Ich bin überzeugt, daß diese Nacht niemand – vielleicht mit Ausnahme Endicott’s – schlafen konnte. Man erstickte fast unter dem Zeltdache, wo es am nöthigen Sauerstoff mangelte. Ferner empfanden mehr oder weniger Alle einen seltsamen Eindruck, ein wunderliches Vorgefühl, als ob unsere Lage sich bald zum Bessern oder zum Schlechtern wenden müsse, wenn sie überhaupt noch schlechter werden konnte.
    Die Nacht verlief ohne Störung und um sechs Uhr früh beeilte sich Jeder, draußen etwas wohlthätigere Luft einzusaugen.
    Hier glichen die meteorologischen Verhältnisse denen des Vortags – noch immer herrschte der außerordentlich dichte Nebel. Der Barometer war zwar gestiegen, doch zu schnell, als daß man daraus hätte auf dauernde Besserung des Wetters schließen können. Die Quecksilbersäule stand auf dreißig und zwei Zehntel Zoll (767 Millimeter), der höchste Stand, den sie seit der Einfahrt der »Halbrane« über den Polarkreis je eingenommen hatte.
    Auch andere Zeichen machten sich bemerkbar, die für uns beachtenswerth waren.
    Der zunächst auffrischende Wind – ein Südwind, seit wir über den Südpol hinaus gekommen waren – verwandelte sich bald zur steifen Brise, zum Zweireefwind, wie die Seeleute sagen. Von außen her hörte man, seit die Atmosphäre sich wieder mehr bewegte, auch alle Geräusche leichter.
    Um neun Uhr entledigte sich der Eisberg plötzlich seiner Nebelkappe.
    Eine unbeschreibliche Veränderung der Decoration, die kein Zauberstab in kürzerer Zeit und mit größerem Erfolge hervorgebracht hätte.
    In wenigen Augenblicken war der Himmel bis zur letzten Grenze des Horizonts klar geworden und das Meer erglänzte unter den schrägen Strahlen der Sonne, die nur um wenige Bogengrade über ihm stand. Eine schäumende Brandung brodelte am Fuße unseres Eisberges, und dieser trieb mit einer Menge schwimmender Berge unter der Doppelwirkung der Strömung und des Windes in ostnordöstlicher Richtung dahin.
    »Land! Land!«
    Dieser Ruf erscholl vom Gipfel der beweglichen Insel, und unseren Blicken zeigte sich Dirk Peters, der, auf dem höchsten Blocke stehend, mit der Hand nach Norden wies.
    Der Mestize täuschte sich nicht. Diesmal war es Land… ja… ein Land, das auf drei bis vier Seemeilen Länge seine entfernten, schwärzlich erscheinenden Höhen erkennen ließ.
    Und als nach doppelter Beobachtung, um zehn Uhr und zu Mittag, ein Besteck gemacht war, ergab es:
    Südliche Breite: 86°12’,
    Oestliche Länge: 114°17’.
    Der Eisberg befand sich nahezu vier Grade jenseits des antarktischen Poles, und aus der westlichen Länge, unter der wir früher dem Curse der »Jane« folgten, waren wir jetzt in die Grade östlicher Länge gekommen.
Fußnote
    1 Nicht wiederzugebendes Wortspiel, da »
austral
« auch südlich bedeutet. D. Uebers.
     

Zwölftes Capitel.
Gelagert.
    Kurz nach Mittag lag das Land nur noch eine Seemeile von uns entfernt. Die Frage war nur, ob die Strömung uns auch dahin führen würde.
    Ich muß gestehen, wenn wir die Wahl gehabt hätten, diese Küste anzulaufen oder unseren Weg fortzusetzen, daß mir die Entscheidung schwer geworden wäre.
    Ich sprach darüber mit dem Kapitän Len Guy und dem Lieutenant, als der letztere mir ins Wort fiel und sagte:
    »Ich bitte Sie, Herr Jeorling, wozu kann die Erörterung dieser Frage nützen?
    – Gewiß, da wir in der Sache gar nichts thun können, setzte der Kapitän Len Guy hinzu. Es ist ebenso gut möglich, daß der Eisberg an diese Küste stößt, wie daß er, wenn er in der Strömung bleibt, um sie herum geht!
    – Das bestreite ich natürlich nicht, erwiderte ich, meine Frage bleibt deswegen aber doch bestehen. Bietet es uns mehr Vortheil ans Land zu gehen oder hier zu bleiben?
    – Hier auszuhalten!« erklärte Jem West.
    Hätte freilich das Boot uns Alle nebst dem nöthigen Proviant für eine fünf-bis sechswöchentliche Fahrt aufzunehmen vermocht, so wäre dieses Auskunftsmittel gewiß ohne Zögern ergriffen worden, um mit dem Südwind im

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