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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich Abstürzen aussetzen, und ich werde niemand gestatten, den Lagerplatz zu verlassen. Befindet sich Land in der Nähe, so wird unser Eisberg wohl allein daran anlaufen…
    – Wenn es aber nicht geschieht? warf ich ein.
    – Wenn es nicht geschieht, wie könnten wir es thun?«
    Das Boot, das Boot, dachte ich, das sollte man sich doch zunutze machen. Der Kapitän zog es aber vor, zu warten, und vielleicht war das unter unseren Verhältnissen wirklich auch das Klügste.
    Es wäre bei der Gestaltung des Eisbergs allerdings gefährlich gewesen, sich halb blind über den schlüpfrigen Abhang hinunter zu wagen. Der Gelenkigste und Kräftigste der Mannschaft, Dirk Peters, hätte das wohl auch nicht ohne ernsten Unfall zustandegebracht. Diese verderbenschwangere Fahrt hatte schon zu viele Opfer gekostet und wir durften deren Zahl nicht noch vergrößern.
    Ich vermag gar keine Idee von dieser Anhäufung von Dünsten zu geben, die sich im Laufe des Abends noch verdichteten. Von fünf Uhr ab wurde es ganz unmöglich, auf dem Platze, wo die Zelte standen, nur einige Schritte weit etwas zu unterscheiden. Man mußte sich gegenseitig mit der Hand berühren, um zu wissen, daß man Einer vor dem Andern stand. Auf einander zu sprechen, wäre unzulänglich gewesen, denn der Laut der Stimme verbreitete sich in diesem Gemisch von Luft und Wasserbläschen auch nicht weiter, als der Blick reichte. Eine angezündete Laterne verrieth sich nur in der Nähe durch einen dunkelrothen Schimmer, leuchtete eigentlich aber gar nicht. Ein Aufschrei drang nur ganz geschwächt zum Ohre und nur die Pinguine kreischten laut genug, um vernehmlich zu sein.
    Ich bemerke hier, daß dieser Nebel nicht mit dem früher beobachteten
frost-rime
, dem Rauchfrost, zu verwechseln war. Der Rauchfrost hat eine höhere Lufttemperatur zur Voraussetzung, zeigt sich gewöhnlich nur dicht über der Meeresfläche und steigt auf etwa hundert Fuß unter dem Einflusse einer steifen Brise in die Höhe. Der Nebel reichte dagegen weit über diese Höhe hinaus, und ich glaube, man hätte sich über ihn nur erheben können, wenn man noch fünfzig Toisen über den Gipfel des Eisbergs hinauf gelangen konnte.
    Gegen acht Uhr abends waren die halb condensierten Dunstmassen so compact, daß sie beim Gehen ein fühlbares Hinderniß bildeten. Es sah aus, als habe die Zusammensetzung der Luft sich geändert und als sollte diese in festen Zustand übergehen. Unwillkürlich dachte ich dabei an die seltsamen Erscheinungen auf der Insel Tsalal, an das eigenthümliche Wasser, dessen Molecüle eine so merkwürdige Cohäsion zeigten.
    Ob der Nebel irgendwelche Wirkung auf den Compaß ausübte, das war unmöglich zu erkennen. Ich wußte, daß die Meteorologen Studien hierüber gemacht hatten und behaupten zu können glaubten, daß diese Erscheinung keinerlei Einfluß auf die Magnetnadel habe.
    Hierzu gehört, daß wir nach Ueberschreitung des Südpols uns auf die Angaben des Compasses gar nicht mehr verlassen konnten, denn dieser wurde durch die Annäherung an den magnetischen Südpol, dem wir offenbar zutrieben, erheblich gestört. Nichts gestattete uns also, die Treibrichtung des Eisbergs zu bestimmen.
    Um neun Uhr war die ganze Umgebung in tiefste Finsterniß versunken, obgleich die Sonne zur jetzigen Jahreszeit noch nicht unter den Horizont hinunterging.

    Der Kapitän, der sich überzeugen wollte, ob alle Leute nach dem Lager zurückgekehrt waren, und der jede Unvorsichtigkeit verhindern wollte, ließ zum Sammeln rufen.
     

    Jeder, der auf seinen Namensaufruf geantwortet hatte… (S. 368.)
     
    Jeder, der auf seinen Namensaufruf geantwortet hatte, mußte in die Zelte eintreten, wo die nebelumwallten Schiffslaternen sehr wenig oder gar kein Licht verbreiteten.
    Als sein Name ertönte, den der Hochbootsmann mehrmals mit lautester Stimme wiederholte, war der Mestize der einzige, der nicht darauf reagierte.
    Der Hochbootsmann wartete einige Minuten.
    Dirk Peters erschien nicht.
    War er beim Boote zurückgeblieben, was annehmbar erschien, so war das mindestens überflüssig, denn bei diesem Nebel dachte gewiß keiner an die Entführung desselben.
    »Hat niemand im Laufe des Tages Dirk Peters gesehen? fragte der Kapitän Len Guy.
    – Niemand, antwortete der Hochbootsmann.
    – Nicht einmal beim Mittagessen?
    – Auch da nicht, Kapitän, und doch besaß er selbst keinen weiteren Mundvorrath.
    – Sollte ihm ein Unglück zugestoßen sein?
    – Beunruhigen Sie sich nicht! rief der Hochbootsmann.

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