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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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und seine Begleiter hatten die Insel Tsalal gleich mit Anfang des Sommers verlassen. Vor ihnen lag das eisfreie Meer, das sie mittelst derselben südöstlichen Strömung, die uns erst auf der »Halbrane«, dann auf dem Eisberge forttrug, passiert haben mochten. Außer den Strömungen mußten sie, ebenso wie wir, von der stetigen Brise aus Nordost begünstigt worden sein. Das erlaubte den Schluß, daß ihr Boot, wenn es nicht auf dem Meere verunglückt war, eine Richtung gleich der unserigen eingehalten haben werde und durch die Wasserstraße ebenfalls nach der Gegend, wo wir uns jetzt befanden, gelangt sei. War es nun unter Berücksichtigung des Umstandes, daß sie uns um mehrere Monate voraus waren, eine so unlogische Vermuthung, daß sie bei der Weiterfahrt nach Norden über das freie Meer hinweg und durch die Packeiswand gekommen wären, daß ihr Boot den Polarkreis glücklich überschritten hätte und daß William Guy und seine Gefährten schließlich ein Schiff getroffen hätten, das sie nach der Heimat zurückbeförderte?…
    Angenommen, daß unser Kapitän sich an ähnliche Vermuthungen klammerte, die, wie ich zugebe, viele – sogar sehr viele! – gute Aussichten eröffneten, so hatte er gegen mich doch kein Wort davon gesprochen. Vielleicht – der Mensch liebt es ja, seine Selbsttäuschungen zu bewahren – fürchtete er, daß ihm jemand die schwachen Seiten seines Gedankenganges darlegte.
    Eines Tags sprach ich in diesem Sinne mit Jem West.
    Der Lieutenant, ein für Verführung durch die Phantasie wenig zugänglicher Mann, wollte sich meiner Ansicht nicht fügen. Die Annahme, daß wir die Leute von der »Jane« nicht wiedergefunden hätten, weil sie durch diese Seegebiete schon vor uns gekommen und bereits nach dem Stillen Ocean zurückgekehrt wären – das konnte ein so nüchterner Verstand wie der seinige nicht anerkennen.
    Als ich mit dem Hochbootsmann über diese Möglichkeit plauderte, meinte er:
    »Nun, Sie wissen ja, Herr Jeorling, es geschieht wohl mancherlei und ist alles möglich, wenigstens tröstet man sich gern damit, doch daß der Kapitän William Guy und seine Leute zur Stunde irgendwo in der Alten oder Neuen Welt vor einem Glase Branntwein, Gin oder Wisky im gemüthlichen Gasthause säßen… nein! nein!… das ist ebenso unmöglich, als daß wir Beide morgen an einem Tische des »Grünen Cormoran« Platz nähmen!«
    An den drei Nebeltagen hatte ich Dirk Peters nicht gesehen oder er hatte es mindestens nicht versucht, sich mir zu nähern, sondern nahm hartnäckig seinen Posten neben dem Boote ein. Die Fragen Martin Holt’s über seinen Bruder Ned schienen anzudeuten, daß das Geheimniß des Mestizen wenigstens theilweise bekannt sei. Er hielt sich auch noch mehr abgesondert als früher, schlief einige Stunden, wenn Alle wach waren, und wachte, wenn Alle schliefen. Ich fragte mich gelegentlich, ob er es nicht bedauerte, sich mir anvertraut zu haben, ob er sich nicht vorstellte, daß ich dadurch einen gewissen Abscheu gegen ihn bekommen könnte. Das wäre freilich ein Irrthum gewesen, denn ich empfand für den armen Mestizen nur das wärmste Mitleid.
    Ich kann gar nicht ausdrücken, wie traurig, einförmig und endlos uns die Stunden während dieses Nebels erschienen, dessen dichten Vorhang nicht einmal der Wind zerreißen konnte. Selbst bei peinlichster Aufmerksamkeit konnte man niemals erkennen, welchen Stand am Horizont die Sonne einnahm, deren spiralförmiger Lauf sich allmählich nach unten hin wandte. Die Lage des Eisbergs, der geographischen Länge und Breite nach, konnte also nicht festgestellt werden. Daß er nach lieberschreitung des Poles nach Südosten, d. h. jetzt vielmehr nach Nordwesten weitertrieb, war zwar wahrscheinlich, doch nicht sicher. Da er bei der Strömung die gleiche Geschwindigkeit behielt, wie hätte der Kapitän Len Guy den von ihm zurückgelegten Weg bestimmen können, so lange ihm alle Vergleichungspunkte dafür fehlten? Selbst wenn er jetzt ganz still lag, wäre das uns kaum besonders aufgefallen, da der Wind sich gelegt hatte – das nahmen wir wenigstens an – denn wir vermochten keine Luftbewegung zu fühlen. Die der Luft ausgesetzte Flamme einer Schiffslaterne flackerte ganz und gar nicht. Nur das Gekreisch von Vögeln, aber geschwächt in dieser watteähnlichen Atmosphäre, unterbrach die Grabesstille, die sonst um uns herrschte. Sturmvögel und Albatrosse schwebten dann und wann über den Gipfel hin, wo ich mich oft ausschauend aufhielt; ich konnte

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