Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
getödtet, der fünfte aber von den Flüchtlingen mit fortgeschleppt, die am Ufer ein mit drei großen Schildkröten beladenes Boot fanden. Zwanzig Insulaner, die ihnen nacheilten, versuchten vergeblich, sie anzuhalten. Sie wurden zurückgetrieben und das mit den nöthigen Pagaien versehene Boot glitt aufs Meer hinaus und wandte sich nach Süden.
    Arthur Pym befand sich jetzt jenseits des vierundachtzigsten Grades südlicher Breite. Es war zu Anfang des März, also kurz vor Eintritt des antarktischen Winters. Im Westen tauchten fünf oder sechs Inseln auf, an denen man aber aus Vorsicht vorüberfuhr. Arthur Pym vertrat immer die Ansicht, daß die Temperatur je näher dem Pole desto milder sein werde. Am Ende der vorn am Boote aufgerichteten zwei Pagaien wurde ein Segel angebracht, das aus den mit einander verbundnen Hemden Arthur Pym’s und Dirk Peters’ bestand – weißen Hemden, vor deren Farbe der gefangene Eingeborne, der den Namen Nu-Nu führte, einen grenzenlosen Abscheu zu erkennen gab. Begünstigt von einem mäßigen Nordwinde und bei noch fortwährender Tageshelle ging die seltsame Fahrt acht Tage lang fort, über ein Meer ohne jede Eisscholle, denn bei der höheren, auch im Wasser vorhandenen Temperatur hatte sich schon von der Insel Bennet an keine einzige solche gezeigt.
    Jetzt drangen nun Arthur Pym und Dirk Peters in ein neues und wunderbares Gebiet ein. Am Horizont lagerte eine breite Schicht grauen, leichten Dampfes mit weit hervorschießenden Ausstrahlungen, wie man solche an Nordlichtern beobachtet. Eine ziemlich rasche Strömung unterstützte noch die Wirkung des Windes. Das Boot glitt über eine außerordentlich flüssige Masse von milchigem Aussehen hin, die von unten her bewegt zu werden schien. Da begann eine weiße Asche niederzufallen, was den Schrecken Nu-Nu’s, dessen Lippen sich bis über seine schwarzen Zahnreihen zurückzogen, nur vermehrte.
    Am 9. März verdoppelte sich der Aschenregen und nahm die Temperatur des Wassers so sehr zu, daß man die Hand nicht mehr hineinhalten konnte. Die ungeheure Dampfschicht, die den fernen Halbkreis des Horizonts einnahm, glich einem unbegrenzten Wasserfalle, der still von irgend einem hohen, in der Höhe des Himmels verlorenen Walle herniedersank….
    Zwölf Tage später breitet sich über die Umgebung die Finsterniß, nur unterbrochen durch leuchtende Ausströmungen, die sich aus der milchigen Tiefe des antarktischen Oceans erheben, in den der nie nachlassende Aschenregen niederrieselt.
    Das Boot näherte sich dem Katarakte mit unheimlicher Schnelligkeit, über deren Ursachen Arthur Pym keinen Aufschluß giebt. Zuweilen spaltete sich die Dunstmasse, und dann erblickte man hinter ihr ein Chaos schwankender, unbestimmter Bilder, die von mächtigen Luftströmungen bewegt zu werden schienen….
    Mitten durch die entsetzliche Dunkelheit flatterten Schaaren riesiger Vögel von fahlweißer Farbe, die ihr ewiges »tekeli-li« kreischten, und dabei hauchte der von Schaudern ergriffene Wilde seinen letzten Seufzer aus.
    Plötzlich stürzt das Boot, von rasender Schnelligkeit gepackt, sozusagen in die Arme des Katarakts, indem sich ein Abgrund öffnet, wie um es zu verschlingen…. Doch gleichzeitig erhebt sich dem Boote gegenüber eine verschleierte menschliche Gestalt von einer Größe, wie man auf Erden wohl noch keine gesehen hat… und die Hautfarbe der Erscheinung war ganz schneeweiß….
    Das ist der merkwürdige Roman, den das übermenschliche Genie des größten Dichters der Neuen Welt hervorgebracht hat. Und so endigt er auch… oder endigt er vielmehr nicht. Meiner Ansicht nach hat Edgar Poe, außer Stande, für diese außerordentliche Sachlage eine Lösung zu geben, den Bericht mit »dem plötzlichen und beklagenswerthen Tode seines Helden« abgebrochen, wobei er die Hoffnung durchschimmern ließ, daß auch die fehlenden letzten zwei oder drei Capitel nach ihrer etwaigen Auffindung veröffentlicht werden würden.
Sechstes Capitel.
»Wie ein sich aufschlagendes Bahrtuch«.
    Die »Halbrane« fuhr mit Hilfe der Strömungen und des Windes immer weiter. Hielt das auch ferner so an, so mußte die Entfernung, die die Prinz Eduard Insel von Tristan d’Acunha trennt – ungefähr dreitausendzweihundert Seemeilen – binnen vierzehn Tagen zurückgelegt werden und das, wie der Hochbootsmann prophezeit hatte, ohne die Segelstellung ein einziges Mal zu wechseln. Unveränderlich stand der Wind aus Südosten, manchmal so frisch, daß die höchsten Segel

Weitere Kostenlose Bücher