Die Eissphinx
auftauchen?
Von allen diesen Unwahrscheinlichkeiten aber abgesehen, wär’ ich doch begierig zu erfahren, wie Arthur Pym und der Mestize von so weit her zurückgekommen seien, wie ihr tsalalisches Boot sie bis über den Polarkreis hinaus getragen haben möchte, wie sie endlich aufgefunden und nach der Heimat befördert worden seien. Wäre Arthur Pym in einem gebrechlichen Boote mit Pagaien über zwanzig Breitengrade weit gefahren, hätte er darin wieder das Packeis durchbrochen und eines der nächstgelegenen Länder erreicht, so würde er die Vorfälle unterwegs gewiß erzählt haben…. O, wird man einwerfen, Arthur Pym starb, ehe er den letzten Theil seines Berichts niederschreibe konnte. Zugegeben; doch ist es wahrscheinlich, daß er dem Herausgeber des
Southern Literary Messenger
davon keine mündlichen Mittheilungen gemacht hätte?… Und warum sollte Dirk Peters, der angeblich noch einige Jahre in Illinois wohnte, über den endlichen Ausgang ihrer Abenteuer geschwiegen haben? Hätte er ein Interesse daran gehabt, nicht davon zu sprechen?…
Den Worten des Kapitän Len Guy nach hatte sich dieser allerdings nach Vandalia begeben, wo Dirk Peters – dem Romane nach – sich aufhielt, hatte ihn aber nicht angetroffen. Das glaub ich gern. Gleich wie Arthur Pym hatte er, ich wiederhole es, nur in der erregten Einbildung des amerikanischen Dichters gelebt. Zeugt es aber nicht gerade für die außerordentliche Macht dieses Genius, daß das, was er nur erfunden hatte, von einigen Personen für thatsächliche Wahrheit hingenommen wurde?
Ich begriff wohl, daß es übel angebracht gewesen wäre, mit dem nun einmal von seiner fixen Idee besessenen Kapitän Len Guy noch weiter über dasselbe Thema zu verhandeln und eine Beweisführung wieder aufzunehmen, die ihn doch nicht überzeugt hätte. Düsterer und verschlossener als vorher, erschien er nur noch auf Deck, wenn es dringend nöthig war. Dann schweiften seine Blicke unablässig über den südlichen Horizont, den sie zu durchdringen suchten….
Vielleicht glaubte er da schon die von großen Spalten gestreifte Dunstschicht zu sehen, die von der Finsterniß verhüllten Tiefen des Himmels, die aufsteigenden Flammengarben aus dem milchigtrüben Meere wahrzunehmen und den weißen Riesen zu erkennen, der ihm den Weg durch die Schluchten des Kataraktes zeigte…
Ein sonderbarer Schwärmer, unser Kapitän! Zum Glück blieb seine Intelligenz nach jeder andern Seite hin ungetrübt, seine Fähigkeiten als Seemann unbeeinflußt, und die Befürchtungen, die mir anfänglich aufstiegen, schienen sich nicht bewahrheiten zu sollen.
Von größtem Interesse erschien es mir jedoch, zu ergründen, warum der Kapitän Len Guy eine so rege Theilnahme für die angeblichen Schiffbrüchigen von der »Jane« bewahrte. Selbst Arthur Pym’s Bericht als wahr angenommen und zugegeben, daß die englische Goëlette jene undurchdringlichen Gebiete dennoch durchschifft hätte – wozu konnte seine warme Theilnahme am Schicksale der betreffenden Leute dienen? Hatten auch einzelne Matrosen der »Jane«, ihr Führer oder seine Officiere, die Explosion und den von den Eingebornen der Insel Tsalal herbeigeführten Bergsturz überlebt, konnte man deshalb vernünftigerweise annehmen, daß sie auch jetzt noch am Leben wären? Seit jenen Ereignissen waren nach den Zeitangaben Arthur Pym’s elf Jahre verflossen, und wie hätten die Unglücklichen, wenn sie den Insulanern damals wirklich entkamen, unter den gegebenen Verhältnissen ihre Bedürfnisse befriedigen können, oder sollten sie nicht vielmehr bis zum letzten Mann umgekommen sein?
Doch da ertappe ich mich ja bei der ernsten Betrachtung von Hypothesen denen es an jeder Unterlage gebricht. Noch etwas mehr, und ich fing vielleicht an, an die Existenz Arthur Pym’s und Dirk Peters’, an deren Gefährten und an die im südlichen Packeise verlorne »Jane« zu glauben!… Hatte mich die Verwirrung des Kapitän Len Guy bereits angesteckt? In der That hatte ich mich ja dabei überrascht, einen Vergleich zwischen dem Wege der »Jane«, als sie nach Westen steuerte, und dem anzustellen, dem die »Halbrane« auf ihrer Fahrt nach Tristan d’Acunha folgte.
Wir schrieben jetzt den 3. September. Kam es zu keiner Verzögerung – und die hätte nur ein Seeunfall herbeiführen können – so mußte unsere Goëlette binnen drei Tagen in Sicht des Hafens sein. Die Inselgruppe steigt übrigens so hoch empor, daß man sie bei günstiger Witterung schon aus großer
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