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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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erhob… was war davon zu halten?…
    Hierüber machte ich mich nicht schlüssig, sondern überließ die Antwort der Zukunft. Der Kapitän Len Guy zeigte sich höchst gleichgiltig gegen alles, was sich in Arthur Pym’s Bericht nicht unmittelbar auf die auf der Insel Tsalal Verlassenen bezog, deren Erlösung sein einziger, beständiger Gedanke war.
    Da ich nun den Bericht Arthur Pym’s vor den Augen hatte, beschloß ich, ihn Schritt für Schritt zu vergleichen und das Wahre vom Falschen, das Thatsächliche vom Erfundenen zu scheiden. Im voraus hegte ich freilich die Ueberzeugung, keine Spur jener Seltsamkeiten zu finden, die dem empfänglichen amerikanischen Dichter nur von dem »Dämon des Bizarren« eingeflüstert sein würden.
    Am 19. December befand sich unsere Goëlette also schon um anderthalb Grad südlicher als die »Jane« damals achtzehn Tage später, ein Beweis, daß uns alles, der Zustand des Meeres, die Richtung des Windes und die Frühzeitigkeit der schönen Jahreszeit, außerordentlich begünstigt hatte.
    Ein offenes – oder doch wenigstens schiffbares – Meer lag vor dem Kapitän Len Guy ebenso, wie es sich vor dem Kapitän William Guy ausgebreitet hatte, und hinter ihm dehnte sich von Nordwest nach Nordost hin das Packeis mit seinen gewaltigen, festen Schollenmassen aus.
    Zunächst wollte Jem West darüber klar werden, ob die Strömung in diesem Meeresarme, wie Arthur Pym es angab, wirklich südwärts verlief. Auf seine Anordnung hin ließ der Hochbootsmann eine zweihundert Faden lange Leine mit ziemlich schwerem Gewicht daran ins Wasser laufen, und daraus ersah man, daß die Richtung der Strömung die nämliche, der Fortbewegung unserer Goëlette also besonders förderlich war.
    Bei auffallend klarem Himmel wurden um zehn Uhr und zu Mittag zwei sehr sorgfältige Sonnenhöhenmessungen ausgeführt. Die Berechnung daraus ergab eine Breite von 74°45’ und – was uns nicht überraschen konnte – eine Länge von 39°15’.
    Das zeigt, daß der Umweg, den uns die Fahrt längs des Packeises und die Umschiffung seines östlichen Ausläufers aufnöthigte, die »Halbrane« vier volle Grade weiter nach Osten geführt hatte.
    Ich brauche wohl nicht erst hervorzuheben, daß die Worte Abend und Morgen, deren ich mich hier wegen Mangels an andern bedienen werde, weder einen wirklichen Aufgang noch Untergang der Sonne bedeuten. Das Strahlengestirn, das über dem Horizonte seine ununterbrochene Spirale beschrieb, leuchtete uns natürlich stets. Erst einige Monate später sollte es wieder verschwinden. Doch auch während des kalten und düstern antarktischen Winters erhellten dann den Himmel fast täglich die glanzvollen Südpolarlichter. Vielleicht waren wir später selbst Zeugen dieser unsagbar herrlichen Erscheinungen, bei denen ein elektrischer Einfluß so mächtig zu Tage tritt.
    Nach dem Berichte Arthur Pym’s ging die Fahrt der »Jane« vom 1. bis zum 4. Januar 1828 nur sehr schwierig von statten. Ein heftiger Nordoststurm schleuderte gegen das Schiff eine Menge Eisschollen, die dessen Steuerruder zu zertrümmern drohten. Dabei war der »Jane« überdies der Weg durch eine dicke Packeiswand verlegt, in der sie zum Glück schließlich noch einen Durchgang auffand. Jedenfalls hatte sie aber erst am Morgen des 5. Februar unter 73°15’ der Breite die letzten Hindernisse überwunden. Während bei ihr die Lufttemperatur dreiunddreißig Grad (+ 0·56° Celsius) betrug, hatten wir eine solche von neunundvierzig Grad (+ 9·44° Celsius). Die Abweichung der Magnetnadel hielt sich in denselben Grenzen, sie zeigte sich als 14°28’ nach Osten.
    Noch eine letzte Bemerkung, um mathematisch den Unterschied in der beiderseitigen Lage der zwei Goëletten zu dieser Zeit zu verdeutlichen. Vom 5. bis zum 19. Januar verflossen damals vierzehn Tage, die die »Jane« zur Zurücklegung der zehn Grade, gleich sechshundert Seemeilen, welche sie noch von der Insel Tsalal trennten, nöthig hatte, während sich die »Halbrane« am 19. December nur noch etwa sieben Grade oder wenig über vierhundert Seemeilen davon entfernt befand. Blieb der Wind auf derselben Seite wie bisher stehen, so konnte kaum die Woche vorübergehen, bis die Insel Tsalal oder wenigstens das Bennet-Eiland in Sicht kam. Letzteres liegt von hier aus noch fünfzig Seemeilen vor jener, und der Kapitän Len Guy gedachte daselbst vierundzwanzig Stunden zu rasten.
    Die Fahrt verlief unter den günstigsten Umständen weiter. Kaum brauchten wir vereinzelten Schollen

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