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Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Das wäre anzunehmen und auch vernünftig gehandelt, Hochbootsmann. Dazu kommt noch, daß unsere alten Leute von der Besatzung wohl überall hingehen würden, wohin der Kapitän sie führte, die neuen dürften aber dagegen Einspruch erheben. Für eine so lange und gefahrenreiche Fahrt, wie die bis zum Südpole, haben sie sich ja nicht anwerben lassen.
    – Ganz recht, Herr Jeorling, und um sie dazu zu bestimmen, müßte man ihre Habgier dadurch reizen, daß für jeden jenseits der Insel Tsalal erreichten Breitengrad eine tüchtige Prämie ausgesetzt würde…
    – Und ob das genügt, ist auch noch ungewiß.
    – Freilich… denn Hearne und die Andern von den Falklands – sie bilden an Bord die Mehrheit – hofften, daß es nicht einmal gelingen würde, das Packeis zu durchbrechen, und daß die Fahrt sich kaum über den Polarkreis hinaus ausdehnen würde! – Sie murrten schon jetzt, so weit draußen zu sein! Kurz, ich weiß nicht, was das Ende vom Liede sein wird, weiß aber, daß Hearne im Auge behalten werden muß, und dafür werd’ ich sorgen!«
    Vielleicht stand uns für die Zukunft, wenn nicht eine Gefahr, so doch manch’ unerwartete Schwierigkeit bevor.
    In der Nacht – das heißt in der Zeit, die die Nacht vom 19. zum 20. hätte sein sollen – wurde mein Schlaf einmal von einem seltsamen Traum gestört. Ja, es konnte doch nur ein Traum gewesen sein!… Immerhin glaubte ich ihn hier verzeichnen zu müssen, denn er bildet einen weiteren Beleg für die Bilder, die mehr und mehr in meinem Gehirn auftauchten.
    Bei der ziemlich kalten Witterung hatte ich mich auf dem Lager dicht in die Decken gewickelt. Gewöhnlich schlummerte ich dann von neun Uhr abends ununterbrochen bis fünf Uhr morgens.
    Ich schlief also… es mochte etwa um zwei Uhr nachts sein – als ich durch ein klagendes und anhaltendes Gemurmel erweckt wurde.
    Ich öffnete die Augen… oder bildete mir das wenigstens ein. Die Läden der beiden Schiebfenster waren geschlossen und in meiner Cabine herrschte tiefe Finsterniß.

    Da das Gemurmel sich wiederholte, spitzte ich die Ohren und jetzt schien es mir, als ob eine Stimme – eine Stimme, die ich nicht kannte – flüsterte:
    »Pym… Pym… der arme Pym!«
    Offenbar konnte das nur eine Sinnestäuschung sein, es müßte sich denn jemand in meine, allerdings nicht eigentlich verschlossene Cabine eingeschlichen haben.
    »Pym! erklang die Stimme weiter, nein, er soll… er darf nicht vergessen werden, der arme Pym!«
    Jetzt hörte ich deutlich, daß diese Worte nahe meinem Ohre ausgesprochen wurden. Was bedeutete diese Mahnung, und warum wurde mir ans Herz gelegt, Arthur Pym nicht zu vergessen? Dieser war doch nach seiner Rückkehr nach Amerika gestorben… eines beklagenswerthen Todes gestorben, über den niemand etwas Näheres wußte.
    Da empfand ich, daß ich mir nicht recht klar war, und erwachte erst jetzt zu der Ueberzeugung, daß mich infolge einer starken Erregung des Gehirns ein besonders lebhafter Traum verfolgt haben müsse.
    Immerhin sprang ich schnell vom Lager, öffnete das eine Schiebfenster meiner Cabine und stieß den Laden davor auf.
    Ich blickte hinaus.
    Auf dem Hintertheile der Goëlette stand niemand… außer Hunt, der die Hand am Steuerrade und den Blick auf das Compaßhäuschen gerichtet hielt.
    Was thun?… Ich konnte mich nur wieder niederlegen, that das auch und obgleich ich den Namen Pym noch wiederholt vor meinem Ohr erklingen zu hören wähnte, schlief ich doch bis zum Morgen.
    Nach dem Aufstehen hatte ich von dem nächtlichen Zwischenfalle nur noch eine sehr schwache, verschwommene Vorstellung, die bald ganz erlosch.
    Wenn ich, meist in Gesellschaft des Kapitän Len Guy, wieder in Arthur Pym’s Berichte las, als wäre dieser das Tagebuch der »Halbrane«, fiel mir unter dem Datum des 10. Januar folgende Mittheilung ins Auge:
    An genanntem Tage ereignete sich ein bedauerlicher Unfall an Bord der »Jane«, genau an der Stelle des Meeres, die wir jetzt befuhren, d. h. unter 78°30’ der Breite und 40°15’ der Länge. Ein aus New York gebürtiger Amerikaner, namens Peters Vridenburgh, einer der besten Matrosen der Mannschaft, glitt zwischen zwei Eisflächen hinein, verschwand, und konnte nicht gerettet werden. Das war das erste Opfer dieser Reise, und wie viele andere sollten noch im Nekrologe der Goëlette verzeichnet werden!
    Der Kapitän Len Guy und ich erkannten ferner, daß nach Arthur Pym die Kälte an jenem Tage recht streng und die Atmosphäre sehr aufgeregt

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