Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Eissphinx

Die Eissphinx

Titel: Die Eissphinx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
und sogenannte »Kälber«, die wieder aus dem Wasser auftauchten. Das kann ja nicht wundernehmen, wenn man bedenkt, daß das anprallende Eisfeld eine Masse von vielleicht zwanzig Millionen Tonnen bildete.
    Vierundzwanzig Stunden verliefen unter diesen Verhältnissen, während die Goulette sich drei bis vier Seemeilen von der Eisgrenze entfernt hielt. Näher daran hinzusegeln, hätte nur in Einbuchtungen geführt, aus denen schwer wieder herauszukommen gewesen wäre. Kapitän Len Guy hätte es doch vielleicht gewagt, er fürchtete nur immer, an einer sich bietenden Durchfahrt, ohne sie zu bemerken, vorbeizusegeln.
    »Hätte ich ein Begleitschiff, sagte er zu mir, so hielte ich mich der Packeisgrenze so nahe wie möglich. Es ist überhaupt ein großer Vortheil, zu Zweien zu sein, wenn man eine solche Fahrt unternimmt. Die »Halbrane« ist aber allein, und wenn wir sie verlieren sollten…«
    Obwohl unsre Goëlette sich nun immer in einer von der Klugheit gebotenen Entfernung hielt, setzte sie sich doch dabei noch wirklichen Gefahren aus. Nach einer Strecke von wenigen hundert Toisen, mußte sie plötzlich angehalten oder ihre Richtung verändert werden, und das manchmal in dem Augenblicke, wo die Spitze ihres Klüverbaumes schon ganz nahe daran war, irgendwo anzustoßen. Stundenlang war Jem West genöthigt, fortwährend den Curs zu wechseln und nur sehr langsam vorzudringen, um dem Stoße eines Eisfeldes zu entgehen.
    Zum Glück wehte der Wind stetig aus Ost bis Nordnordost und gestattete so, entweder leicht oder ziemlich dicht daran hinzufahren. Er frischte auch nicht besonders auf. Wäre er aber zum Sturme angewachsen, so weiß ich nicht, was aus der Goëlette jetzt hätte werden sollen, oder ich weiß vielmehr zu gut, daß sie dabei den Untergang gefunden hätte.
    In diesem Falle wäre uns jedes Entkommen abgeschnitten gewesen, und die »Halbrane« an der Grenze, dem »Ufer« des Packeises gestrandet.
    Nach langem Suchen mußte der Kapitän Len Guy darauf verzichten, in dieser Mauer einen Durchgang zu finden, und es blieb ihm nichts anders übrig, als bis zu deren Südostausläufer weiter zu segeln. Beim Einhalten dieser Richtung verloren wir übrigens nichts an der schon erreichten Breite. Eine Beobachtung am 18. ergab für die Lage der »Halbrane« dreiundsiebzig Grad Breite.
    Ich weise nochmals darauf hin, daß wohl kaum jemals eine Reise über die antarktischen Gewässer so vom Glücke wie die unsere begünstigt worden war – durch den frühzeitigen Sommer, den beständigen Nordwind und eine Mitteltemperatur, für die der Thermometer neunundvierzig Grad Fahrenheit (+ 9·54° Celsius) angab. Selbstverständlich erfreuten wir uns andauernder Tageshelle, denn alle vierundzwanzig Stunden hindurch sandte uns die Sonne ihre Strahlen aus allen Himmelsgegenden zu.
    An den Eisbergen bildeten sich vielfach Wasserfäden, die deren Wände aushöhlten und zu plätschernden Cascaden zusammenflossen. Deshalb hatten wir uns auch vor plötzlichen Lageveränderungen der Eisberge in Acht zu nehmen, wenn sich infolge Abnagung ihres Untergrundes der Schwerpunkt derselben verlegte.
    Noch zwei-oder dreimal fuhren wir auf weniger als drei Seemeilen an das Packeis heran. Es war ja unmöglich, daß es von den klimatischen Einflüssen unberührt geblieben wäre und daß sich nicht da und dort ein Riß darin gebildet hätte.
    Diese Versuche blieben erfolglos und wir mußten uns wieder der westöstlichen Strömung anvertrauen. Sie unterstützte uns übrigens und es war nur bedauerlich, dadurch vom dreiundvierzigsten Meridian weggeführt zu werden, nach dem die Goëlette doch zurückkehren mußte, um sicher nach der Insel Tsalal zu gelangen. Der Ostwind trieb sie indessen einigermaßen wieder nach ihrer Fahrlinie hin.
    Bei dieser Recognoscierung – das möchte ich hier einflechten – haben wir auch nirgends Land oder nur eine Andeutung davon im Meere ringsum entdeckt, was mit den von früheren Seefahrern aufgenommenen Karten völlig übereinstimmt, die trotz ihrer Unvollständigkeiten bezüglich der Hauptlinien doch verläßlich sind. Ich weiß recht gut, daß Schiffe wiederholt da vorübergekommen sind, wo Landmassen angegeben waren; das konnte aber für die Insel Tsalal nicht zutreffen. Wenn die »Jane« sie erreichen konnte, so mußte dieser Theil des Antarktischen Oceans offenes Wasser haben, und bei einem so zeitigen Sommer hatten wir in dieser Beziehung gewiß keine Hindernisse zu fürchten.
    Endlich am 19., zwischen zwei und drei

Weitere Kostenlose Bücher