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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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Verstand verloren, als sie die Nachricht vom Tod ihres Kindesbekam. Es war abends. Sie schauten gerade »Wetten, dass?« im Fernsehen. Eine der Sendungen mit dauergrinsenden Moderatoren, die vor einer Horde klatschender Affen Unterhaltung simulierten und dafür sorgten, dass keiner auf die Idee kam, über den Sinn und Zweck dieser billigen Abendunterhaltung nachzudenken.
    Für Inas Mutter war es zu spät. Mit der Nachricht vom Tod ihrer Tochter, die ihr eine junge Psychologin überbracht hatte, fror ihr Gehirn mit dem Satz ein: »Top, die Wette gilt …« Danach gab es keine Ina Zugl mehr. Ihre Identität implodierte, und zurück blieb ein schwarzes Loch, das nur in einem Satz weiterexistierte.
    Ein Geräusch ließ Alice aufschrecken. Sie drehte sich um. Ihr Handy surrte. Auf dem Display leuchtete Toms Name in Großbuchstaben. Tom rief sie aus dem Koma an …
    Sie nahm den Anruf an und hielt sich das Handy ans Ohr.

36.
    Alice sagte nichts und wartete. Wer da auch auf der anderen Seite war, es war nicht Tom. Sie hörte Schritte, die durch harten Schnee stapften, Wind, und sie hörte ihn atmen. Sie erlag der kindlichen Reaktion und sagte brav: »Hallo, hier ist Alice Pokel«, so wie ihr Vater es machte, wenn er ans Telefon ging. Sie hatte nie verstanden, warum ihr Vater zuerst seinen Namen sagte und dann darauf wartete, dass der andere sich vorstellte. Sie wollte schon das Telefonat beenden, als sie ihren Namen hörte. Er kam aus dem Lautsprecher, und es war nicht Tom, nicht ihr Vater und nicht ihr Großvater. Die Stimme war von lautem Atmen unterlegt.
    »Du warst ein kluges Mädchen, Alice.«
    Lehmkos Stimme klang brüchig, sie war eins mit dem eisigen Wind, dem brechenden Schnee unter seinen Schritten. Hatte er »war« gesagt? So als wäre sie schon nicht mehr?
    »Sie waren es … Sie sind das Monster.«
    »Alice«, seufzte er lang gezogen, als wäre ihr Name ein langes Wehklagen. »Ich muss tun, was ich tun muss. Ohne Korrekturen wäre die Welt ein Chaos.«
    »Sie haben meine Mutter umgebracht.«
    »Ich habe sie nur daran gehindert, sich um Angelegenheiten zu kümmern, die ihre kleine Vorstellungswelt völlig übersteigen. Korrekturen waren notwendig.«
    »Korrekturen? Sie sind krank … irrsinnig …«
    »Da bist du die Einzige, die das so sieht. Soviel ich weiß, hat dein Vater für dich einen Aufenthalt in der Psychiatrie geplant.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass man Sie für immer wegsperrt.«
    »Du verstehst immer noch nicht. Es gibt nur den Lehrer Lehmko. Mich gibt es gar nicht. Von meiner Existenz und meinen Korrekturen wird niemals jemand erfahren. Und dass dies so bleibt, dafür werde ich sorgen.«
    »Sie sind krank, Sie sollten sich helfen lassen. Sie haben einen Sohn, denken Sie doch an ihn. Was wird er von Ihnen halten, wenn er erfährt …«
    Lehmko lachte laut, was im Lautsprecher des Handys Störwellen hinterließ, die sich überlagerten. Die Schritte im Hintergrund flachten ab.
    »Ich hätte wirklich gewollt, dass dir das erspart bleibt, dass du selbst einmal Kinder haben wirst. Dann würdest du es verstehen. Aber dazu wird es nicht mehr kommen. Du bist ein Element auf dieser Welt, das den korrekten Ablauf der Dinge stört.«
    »Wenn das, was Sie tun, korrekt ist, dann sind Sie noch irrer, als ich dachte …«
    »Die Welt, in der du gelebt hast, Alice, ist keine vorgegebeneWirklichkeit, sondern sie ist das Ergebnis ständiger Entscheidungen. Mit unseren Entscheidungen korrigieren wir den Lauf der Dinge. Je mehr man weiß, desto präziser kann man seine Entscheidungen gestalten und damit den Lauf der Dinge.«
    »Und dafür ermorden Sie kleine Mädchen und unschuldige Menschen …«
    »Die Korrekturen wirken unscheinbar, vielleicht sogar banal, krank für den einfachen Geist, doch wer den großen Plan kennt, der versteht auch, warum jedes Steinchen auf einen bestimmten Platz gehört und warum man andere wegnehmen muss.«
    »Die Polizei weiß schon über Sie Bescheid. Ich habe Ihnen Beweise geliefert.«
    »Hast du nicht«, sagte Lehmko, »sonst hätte mich die Polizei ja verhaftet, und ich säße jetzt da, wo dein Großvater sitzt, im Knast, mit einem Haufen schwerwiegender Indizien gegen ihn.«
    »Das haben Sie auch eingefädelt.«
    »Die Korrektur war notwendig, doch die Beichte gläubiger Menschen abzuhören, das ist unanständig. Höchst unanständig. Menschen haben ein Recht auf ihre Geheimnisse. Weißt du, dass die Freiheit der Menschen darin besteht, dass sie Geheimnisse haben? Ohne

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