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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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Lehmkos Handschuhe, die er ausgezogen hatte, um die Spritze aus seiner Jacke zu holen. Sie schlüpfte mit ihren Füßen in die Fäustlinge und begann den Abstieg aus der Nacht, hinunter zu den Lichtern, zum Leben.

37.
    Alles war weiß, dann kam der Schmerz, und sie wusste, dass sie nicht tot war. Tote spüren keinen Schmerz. Sie öffnete ihre Augen und stellte fest, dass sie bereits offen waren. Das Weiß bekam Konturen und Flecken. Eine Zimmerdecke, grelles Sonnenlicht, das von draußen ins Zimmer fiel. In ihrem Arm steckte eine Nadel. Ein Schlauch verband sie mit einer Infusionsflasche. Mit den Konturen kamen auch die Erinnerungen wieder. Der Schneesturm, Lehmko, die Kälte … Sie wusste nicht, wie sie es geschafft hatte, den ganzen Weg bis zum Haus zurückzulaufen. Eine Krankenschwester wechselte die Infusionsflasche, verließ dann das Zimmer und kam kurze Zeit später wieder. Ihr Vater stand am Fußende des Bettes. Sein Augen hingen tief in den Höhlen. Ein anderer Mann kam ins Zimmer. Engelhardt. Auch er wirkte ernst.
    »Wie komme ich hierher?«
    »Ich habe dich gestern Nacht auf dem Fußboden gefunden. Du hattest Fäustlinge um deine Füße gewickelt, und du hattest leichte Erfrierungen an den Fingern. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Alice. Es tut mir alles so leid.«
    »Was tut dir leid?«
    »Dass ich dir nie zugehört habe, dass …«
    »Schon gut. Es ist ja nicht immer einfach, so eine kluge Tochter zu haben.«
    »War gestern noch jemand bei dir?«
    »Ich war gestern alleine.«
    »Ich meine nur«, sagte ihr Vater, »als ich dich ins Krankenhaus brachte, da hast du die ganze Zeit einen Namen genannt. Wittenstein … Du hast mit ihm gesprochen, als stünde er neben dir.«
    »Wittgenstein«, verbesserte Alice.
    »Wer ist dieser Wittgenstein? Ein Schulfreund von dir?«
    »Ein Freund von mir.«
    »Sollte ich nicht über deine Freunde Bescheid wissen? Ist er älter als du?«
    »Um einiges.«
    »Was macht er? Was arbeitet er? Alice, habe ich dir nicht immer gesagt, dass du nicht mit älteren Männern sprechen sollst, die du nicht kennst.«
    »Wittgenstein ist 1951 gestorben.«
    »Ich verstehe nicht?«
    »Wittgenstein ist Philosoph.«
    »Ach ja, Philosoph, und du redest mit ihm?«
    »Andere reden mit einer Figur an einem Holzkreuz, mit einer Marienstatue oder einem unsichtbaren Gott, und ich rede mit Wittgenstein.«
    Ihr Vater seufzte. Er sparte es sich, mit Alice um das letzte Wort zu ringen. Etwas Wichtigeres schien ihm auf der Zunge zu liegen.
    »Hast du Amalia gesehen?«
    Alice schüttelte den Kopf.
    »Sie ist gestern Nacht nicht nach Hause gekommen. Wir haben die Berghänge nach ihr abgesucht, weil wir anfangs dachten, sie sei vielleicht mit dir nach draußen gegangen, aber wir haben sie nicht gefunden.«
    »Sie wird bei ihrem Freund sein.«
    »Stephan Lehmko haben wir bereits befragt. Er hat sie seit gestern Nachmittag nicht mehr gesehen.«
    Eine Weile hielt sich eine Stille, in der nur die elektronischen Geräte am Kopfende des Bettes zu hören waren.
    »Was ist mit Lehmko?«, fragte Alice und schaute dabei den Kommissar an. Engelhardt trat an ihr Bett. »Wir haben ihn heute Morgen am Fuß des Felsens gefunden oder das, was von ihm übrig war. Was ist da oben geschehen?«
    »Lehmko hat versucht, mich umzubringen, das ist passiert.«
    »Das gibt’s doch nicht«, entfuhr es ihrem Vater.
    »War er es, der die Hintertür in eurem Haus aufgebrochen hat?«
    Alice nickte. »Ich konnte vor ihm fliehen. Aber ohne Schuhe und Jacke bin ich nicht weit gekommen, außerdem rannte ich in die falsche Richtung.«
    »Zu der gesperrten Stelle?«
    »Dort kam ich nicht mehr weiter. Lehmko rutschte und stürzte ab.«
    »Hatte er eine Waffe?«
    »Eine Spritze. Damit wollte er mich betäuben oder umbringen, ich weiß es nicht …«
    »Wir haben eine Spritze nahe der Absturzstelle gefunden«, sagte Engelhardt. »Was genau in der Spritze war, das werden wir erst nach dem toxikologischen Gutachten wissen.«
    »Das ist so etwas von absurd«, sagte ihr Vater. »Warum sollte Lehmko …«
    Ihr Vater glaubte ihr nicht. In seinem Kopf war Adibert Lehmko ein ehrenwerter Lehrer. Dr. Adibert Lehmko war das, was ihr Vater niemals sein konnte: ein intellektueller Mensch, ein Mann der Bücher … jemand, der sich nicht mit dem Niederen abgab und schon gar keine Kinder tötete.
    »Wir haben sein Haus durchsucht«, sagte Engelhardt. »In seinem Arzneischrank fanden wir größere Mengen von Thiopental, einem Schlafmittel, das rasch wirkt. Man

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