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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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setzte.
    »Es wäre einfacher«, fügte Alice hinzu, »sie würde ihren Lover zum Essen einladen.«
    Amalia warf ihre Gabel neben den Teller. »Du kleiner Giftzwerg, warum kannst du nicht einfach mal die Klappe halten?«
    »Er kann ja nichts für sein Aussehen.« Alice kicherte.
    »Ich habe keinen Lover.«
    »Übrigens stehen deine Haare immer ab, wenn du lügst.«
    Unwillkürlich griff Amalia in ihre Haare. Alice hob die Hand mit ihrer Gabel und zeigte auf Amalia. »Quod erat demonstrandum. Was zu beweisen war.«
    »Papa, ich werde aufstehen, wenn sie nicht damit aufhört.«
    »Alice, heute ist Weihnachten. Bitte.«
    »Das Fest der Liebe, ich weiß.«
    Kaum hatte sich ihr Vater der Zerlegung des Hühnchens gewidmet, hatte Alice die Bilder der Toten vor sich. Als er ihr das Flügelchen geben wollte, hielt sie die Hand ausgestreckt über ihren Teller.
    »Nein, danke, ich bin Vegetarierin.«
    »Seit wann denn das?«, fragte ihr Großvater erstaunt.
    »Seit heute.«
    »Hast du etwas gegen meinen Braten?«
    »Nein, ich habe mich nur entschlossen, keine Tierkadaver mehr zu essen.«
    »Iiiigiiitt«, rief Amalia, »da kann einem ja der Appetit vergehen.«
    »Alice, wenn du das jetzt nur machst, um uns zu ärgern, dann ist dir das gelungen.«
    »Um dich zu ärgern«, ergänzte Alice, »denn nur du regst dich ja auf.«
    »Wenn sie nicht will«, beschwichtigte ihr Großvater, »es gibt ja auch noch Kartoffeln und Bohnen.«
    »Du musst natürlich jede Laune verteidigen«, erwiderte ihr Vater, und hätte ihr Großvater in diesem Moment nicht hintergeschluckt, was er auf den Lippen hatte, wäre das Essen an diesem Heiligabend in einem Streit geendet.
    »Ich will einfach keine Kadaver mehr essen. Ist das ein Verbrechen?«
    »Nenn unser Essen nicht Kadaver«, sagte ihr Vater.
    »Mit dem Benennen eines Dings ist noch nichts getan, meint Wittgenstein. Das Huhn wird nicht lebendiger, wenn man es Brathühnchen nennt oder Chicken am Spieß.«
    »Dein Wittgenstein hatte wie du einen an der Klatsche«, geiferte Amalia, »ballaballa, psychokrank, verrückt, kapiert?«
    »Ich habe doch nur gesagt, dass ich keine Lust auf Fleisch habe.«
    »Das hättest du aber auch schon gestern sagen können.«
    »Gestern wusste ich es noch nicht.«
    »Und warum weißt du es heute?«
    »Manche Meinungen und Weltanschauungen ändern sich und vor allem aus der Sicht des Huhns.«
    »Kannst du nicht einmal in normalen Sätzen reden, Alice?«
    »Jetzt sind meine Sätze nicht normal, nur weil ich kein Huhn mag.«
    »Das meinte ich nicht«, sagte ihr Vater und schnitt die Keule vom Hähnchen. »Ich habe nur etwas dagegen, dass du dich zur Anwältin der Hühnchen aufspielst, weil du jetzt Vegetarierin bist. Vegetarier sind Extremisten, Fanatiker, nur mit schlechten Zähnen und bleichgesichtig.«
    »Aber was denkt ein Huhn, wenn es täglich genährt wird? Es denkt, die Menschen sind Wohltäter. Eine Weltsicht, die spätestens an Weihnachten revidiert werden muss.«
    »Kenn ich, den Spruch«, sagte Amalia.
    »Das hat Russell gesagt.«
    »Russell … pah.« Amalia nahm sich noch das zweite Flügelchen. Ihre Lippen glänzten fettig. Alice musste an Geier denken, die ihre Köpfe tief in den Kadaver steckten, um die weichen Eingeweide herauszureißen. Der Vogelkadaver verwandelte sich in einen Haufen Knochen. Alice aß ihre Kartoffeln und stocherte in den grünen Bohnen.
    »Weiß man eigentlich schon, wer die Kirche vollgeschmiert hat?«, fragte Amalia und pikte mit ihren langen Fingernägeln die letzten Fleischreste zwischen ihren Zähnen heraus.
    »Der Pfarrer hat keine Anzeige erstattet«, sagte ihr Vater.
    »Vielleicht weiß er ja, wer es war?« Ihr Großvater stocherte die letzten Kartoffeln zusammen. »Er hört sich ja die Beichten an, vergibt die Sünden im Auftrag des Herrn. Wer weiß, was der Pfarrer sich alles anhören muss. Schlimmer als jeder Seelenklempner.«
    »Ein paar hirnlose Jugendliche, die gegen unsere Kirche etwas haben.« Amalia blickte Alice auffällig lange an. Das war eine klare Provokation. Mehr noch, eine Verdächtigung.
    »Das war keine hirnlose Schmiererei«, platzte Alice heraus. »Das war eine Warnung.«
    »Eine Warnung vor was?«, fragte Amalia.
    »Vor dem, was noch folgen wird.«
    »Wie weitsichtig.« Amalia nahm ihren Zickenausdruck an.
    »Jemand schmierte eine 11 an die Kirchenpforte und an die Mauern«, setzte Alice fort, »das war kein Zufall.«
    Ihr Großvater sah abwesend zum Fenster hinaus. »Ich weiß nicht.«
    »Doch, du weißt,

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