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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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keinen Halt finden konnte, und die Friedhofsmauer war zu hoch, selbst für eine Katze. Alice suchte nach weiteren Spuren. Doch da war nichts.
    »Alice«, rief Amalia, »kannst du deine paar lächerlichen Buchstaben mal hierherbewegen. Wir frieren uns wegen dir den Arsch ab.«
    Alice ignorierte den unbedeutenden Beitrag ihrer Schwester und tastete sich an der Kirchenmauer entlang. Katzen haben zwar eine natürliche Begabung, sich lautlos aus dem Staub zu machen, aber sie sind nicht unsichtbar. Sie musste irgendwo an der Mauer entlanggelaufen sein, wo der Wind keinen Schnee hingeweht hatte. Alice hörte die Stimme ihres Vaters. Er klang genervt. Sie machte kehrt, als sie mit ihrem Fuß an einen harten Gegenstand stieß. Er lehnte in der Ecke zwischen Stützmauer und Hauptmauer. Sie beugte sich hinunter, und fast im selben Augenblick, als sie die Hand ausstreckte, zog sie sie auch wieder zurück.
    Sie hatte die Katze gefunden. Ihr Kopf war zerquetscht und leicht verformt. Sie hatte sich unmöglich selbst bis zur Mauer geschleppt. Jemand hatte sie hier erschlagen. Ihr Körper war kalt und steif. Es musste vor mindestens einer Stunde geschehen sein.
    Ihr Vater rief noch genervter. Amalia hatte Angst, nur noch einen hinteren Platz zu bekommen.
    »Kannst du mir einmal sagen, was du da treibst?«, fragte ihr Vater.
    »Ich verfolge eine Spur.«
    »Los, beeilen wir uns!«, rief Amalia, die plötzlich die Stirn runzelte und Alice anglotzte, als hätte sie ein Gespenst gesehen.
    »Was ist?«, fragte Alice. »Sind deine Haare abgefroren?«
    »Was ist mit deinen …« Sie zeigte auf Alices Handschuhe. »Das ist so was von krank …«
    Jetzt sah Alice ihre Handschuhe. Rot von Blut. Ohne auf Amalia weiter zu achten, drängte sie in das Innere der Kirche. Geflüster. Schritte auf dem Steinboden und das Knarren der alten Bänke. Alice zog ihre Handschuhe aus. Sie hatte Glück. Das Blut war zum größten Teil schon gefroren, so dass nur ein dünner Film auf ihren Handschuhen klebte. Der Nylonbezug war abwaschbar. Ein Wasserhahn. Doch eine Kirche war kein normales Haus. Es war nicht einmal geheizt, es gab kein Wasser, nur harte Bänke ohne Tische, ein Ort, dem man eigentlich nur den Rücken kehren wollte. Sie hatte sich aus dem Hauptschiff in das finstere Seitenschiff abgesetzt. Am Ende des Seitenschiffs der kleinen Kirche befanden sich die Beichtstühle. Telefonzellen Gottes, wie Tom sie nannte. In der Dunkelheit waren ihre Konturen kaum auszumachen. Sie glichen mehr Öffnungen in der Wand. Daher bemerkte Alice erst, als sie neben den Beichtstühlen war, dass darin geflüstert wurde. Die Beichte am Heiligabend für all diejenigen, die nachher zum Altar vortraten, um den Leib Christi zu empfangen. Ein seltsamer Brauch. Am Altar feierte man die Geburt des kleinen Jesus, und später wurde sein Körper an die Gemeinde verteilt, wenn auch nur in Form geschmackloser Oblaten.
    Gegenüber dem Beichtstuhl stand ein Steinbecken, das mit Wasser gefüllt war. Für das Taufbecken war es zu klein. Es war Weihwasser, um sich zu bekreuzigen oder um …
    Der liebe Gott würde es ihr nachsehen, dachte Alice und wusch das Blut von ihren Handschuhen. Ob Katzenblut irgendeine rituelle Bedeutung hatte, wusste sie nicht. Vielleicht hielt jemand das Blut für ein echtes Wunder? Alice kicherte und überlegte, ob sie nicht einer Madonna eine blutige Träne untersAuge reiben sollte. Dann hätte Hintereck sein echtes Wunder.
    Die Vorhänge im Beichtstuhl waren zugezogen. Im Mittelteil saß der Pfarrer. Alice lauschte dem Geflüster. Sie war aber zu weit weg, um etwas zu verstehen. Unter dem Vorhang schaute der Talar des Pfarrers hervor. Auf der linken Seite kniete jemand. Selbst ohne Vorhänge war es in diesem Teil der Kirche so dunkel, dass man nichts hätte erkennen können. Das Geflüster ebbte nicht ab. Auf der rechten Seite wartete ebenfalls noch ein Sünder. Merkwürdigerweise kniete er nicht, sondern saß so, dass seine Beine unter dem Vorhang herausstanden. Eine Pfütze aus Schneewasser hatte sich auf dem Steinboden gebildet.
    Alice näherte sich dem Beichtstuhl. Es war eine Kunst, mit den Gummischuhen lautlos zu laufen. Als sie etwa noch einen halben Meter entfernt war, versteckte sie sich hinter dem Sockel des heiligen Sebastian. Das Geflüster gab einige Worte frei.
    … Vater vergib mir
    … Gesündigt
    … Unzucht in Gedanken, Unzucht im Fernsehen … ich denke immer an ihn, nur an ihn, und dann macht er mit mir diese Sachen …
    Vergib mir … mein

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