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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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Mann ist zu fett …
    Er widert mich an, er stinkt … Unzucht in Gedanken … natürlich bei ihm bleibe … Vergib mir, vergib mir … bis dass der Tod euch scheidet.
    Die Stimme des Pfarrers wurde ein wenig lauter.
    Ego te absolvo.
    Im Religionsunterricht hatte ihr der Pfarrer diese Formel zu erklären versucht. Vergeblich. Alice hatte nie verstanden, wie Gott vergeben konnte, wenn der Priester »Ich« sagte. Gott ist nicht da, dachte sie und ballte die Fäuste in ihren Taschen. Gott war nicht da, als das Mädchen im Wald ermordet wurde, Gottwar nicht da, als ihre Mutter starb. Wittgensteins Antwort war nüchtern. Aber mit ihr konnte Alice leben. »Wie die Welt ist, ist für das Höhere vollkommen gleichgültig. Gott offenbart sich nicht in der Welt.«
    Der Vorhang wurde zurückgezogen. Aus ihrem Versteck konnte Alice nicht sehen, wer gerade im Beichtstuhl war. Eine Frau. Nach den schleppenden Schritten war sie nicht mehr die Jüngste. Zusammengekauert hinter der Statue, wartete Alice, bis der Pfarrer endlich den Beichtstuhl verließ. Sie hörte, wie er den letzten Besucher im Beichtstuhl bat, nach dem Gottesdienst wiederzukommen. Der Besucher lehnte ab. Hektisches Geflüster. Anfangs konnte Alice davon kein einziges Wort verstehen. Dann ein kurzes Stöhnen des Pfarrers. Es klang, als hätte ihm jemand in den Magen getreten.
    »Ich bitte Sie … Gehen Sie!«
    Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Darauf folgte ein lang gezogenes Flüstern, das sich anhörte, als schleifte man einen Toten über sandigen Boden.
    »Sie dürfen keine Sünder fortschicken … Gott vergibt den Sündern. Gott braucht die Sünder. Ohne Sünde, keine Vergebung. Oder nicht, Herr Pfarrer?«
    »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes …«
    »Woher weiß ich, ob Gott mir vergibt?«
    »Das weiß nur Gott selbst. Er spricht durch dein Gewissen.«
    »Mein Gewissen …« Ein heiseres Lachen mischte sich in das Flüstern. Auf dem Holzboden des Beichtstuhls schabten nervös Schuhe. »Mein Gewissen sagt mir vieles. Es sagt mir, was ich tun soll. Doch wenn ich nicht weiß, ob Gott zu mir spricht oder Er …«
    »Der Teufel?«
    »Sprechen Sie seinen Namen nicht aus! Er hat keine Namen,so wie Gott keinen Namen hat. Und ich tue es … Die Schmerzen verlangen es. Es tut so weh, so schrecklich weh.«
    »Was hast du getan, mein Sohn?«
    Das Flüstern wurde leiser. Alice verstand nichts mehr. Sie streckte sich vor, doch der Mann im Beichtstuhl redete ohne Atem.
    »… ich werde es wieder tun. Immer wieder … Gott vergib mir … Geben Sie mir die Absolution …«
    »Gott vergibt nur den Sündern, die bereuen.«
    »Die Absolution!«
    »Zeige Reue, mein Sohn!«
    »Die Absolution oder meine Wut wird grenzenlos sein. Das ist allein dann Ihre Schuld, Vater …«
    Der Pfarrer flüsterte etwas. Alices Herz schlug wild. Wenn sie jetzt aufstand, dann konnte sie ihn sehen.
    Ich werde es wieder tun, immer wieder …
    Der Pfarrer kannte ihn, doch er konnte nicht reden. Das Beichtgeheimnis hinderte ihn daran. Alice kam geduckt aus ihrem Versteck. In der Dunkelheit konnte sie den zurückgezogenen Vorhang des Beichtstuhls erkennen. Nur in der Mitte war der Vorhang noch geschlossen. Sie glaubte, ein Schluchzen zu hören.
    Der Mörder hatte den Beichtstuhl schon verlassen, als der Pfarrer noch sprach. Lautlos war er in der Dunkelheit verschwunden. Sie hatte nicht gehört, dass die Kirchenpforte geöffnet wurde. Er saß also mitten unter ihnen, im Gottesdienst, eingehüllt in einen warmen Mantel.
    Alice ließ sich auf die Bank fallen. Die Vorstellung, über neunzig Minuten auf dieser Folterbank sitzen zu müssen, bereitete ihr Kopfschmerzen. In anderen Religionen lag man auf Teppichen. Das war praktischer und gemütlicher. Die Kirche war eines der Dinge, die auf der Welt abgeschafft werden könnten,ohne dass es das Weltgeschehen nur irgendwie verändern würde. Sie war so nützlich wie Rückenschmerzen oder Karies. Amalia war nirgends zu sehen.
    Alice musste ihrem Vater erzählen, was sie gehört hatte, von der Toten im Wald und dass er unter ihnen war. Heute Nacht, in derselben Kirche. Wenn er Amalia entführt hatte?
    Ich werde es wieder tun …
    »Papa, ich muss dir etwas Wichtiges sagen.«
    »Ja, aber nicht jetzt. Später …«
    »Es ist lebenswichtig, es geht um Leben und Tod.«
    »Ja, ja, aber nicht jetzt.«
    »Und wenn Amalia etwas zugestoßen ist? Wenn …«
    In diesem Augenblick sah Alice eine aufgetakelte Frisur zwischen den Bankreihen. Sie

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