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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Buder
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gebrechlicher geworden. Ihr Lehrer Lehmko stand hinter ihr und stützte sie. Die Krippenkinder traten fröstelnd in ihren Verkleidungen in die Kälte. Maria und Josef verschwanden in den Autos ihrer Eltern. Lehmko legte seine Hand auf Alices Schulter.
    »Fröhliche Weihnachten, Alice. Nächstes Jahr machst du beim Krippenspiel mit, oder?«
    Alice strengte sich an und legte ihr freundlichstes Lächeln auf. Wie konnte Lehmko, ein Doktor der Philosophie, ein Mann der Bücher, also jemand, der mindestens halb so klug war wie sie, sich mit so abergläubischem Hokuspokus wie dem Krippenspiel abgeben? Doch das störte Alice im Augenblick nicht. Sie hatte erreicht, was sie wollte. Sie stand fast nur einen Meter hinter ihrem Großvater. Die beiden Männer unterhielten sichimmer noch sehr leise. Wegener schien über etwas aufgebracht zu sein.
    »… keiner hat sich drum gekümmert. Jetzt kommt ihr daher und wollt von mir … Das könnt ihr nicht von mir …«
    »Sei doch still …« Die Stimme ihres Großvaters war plötzlich hart. So kannte sie ihn nicht.
    »Unrecht kommt nie aus der Welt …« Hatte das ihr Großvater wirklich gesagt? Hatte sie sich nicht verhört? Von was für einem Unrecht sprach er? Was hatte Wegener getan?
    »… das Haus gehört mir … hörst du … mir ganz alleine«, zischte Wegener und ging aufgebracht davon. Noch von der Friedhofsmauer hörte Alice, wie er mit sich selbst sprach.
    »Die Alice ist so ein nettes Madel«, sagte Adelheid Grundinger, »sie sammelt mir die Äpfel ein, jedes Jahr. Seit der Alois nicht mehr da ist, ist das Haus leer. Obwohl ich jeden Tag sein Kopfkissen frisch überzieh.« Alice kannte die Sätze der alten Frau. Sie wiederholte sie wie ein Gebet. Das Haus war seit über siebzig Jahren leer. In ihrer alten brüchigen Stimme lag ein stiller Vorwurf. So als würde ihr Alois wie viele Männer in Hintereck einfach nur zu lange im »Schwarzen Bichl« sitzen. Lehmko führte sie vorsichtig zu seinem Wagen. Der Pfarrer zog die Pforte zu. Der Schein eines Autoscheinwerfers tauchte das Gesicht des frommen Mannes in kaltes Licht. Alice glaubte zu sehen, dass er geweint hatte. Es konnten aber auch nur Schneeflocken sein oder die Kälte, die in die Augen stach. Neben ihr redete man über die Schmierereien auf der Kirchenpforte, über den Verfall der Tugenden und dass es ein paar Jugendliche gewesen waren. Die Jugend war schlecht, zu wenig Zucht, erklärte Anton Haas und warf dabei giftige Seitenblicke zu Oberschrat, der hinter seinen beiden Söhnen stand. Wittgenstein hätte das Geschwätz einfach ignoriert. Sinnlose allgemeine Sätze … Doch es blieb eine Frage, die ihr auch Wittgenstein nicht beantwortenkonnte: Wer hatte die Kirchenpforte beschmiert? Und was hatte die 11 zu bedeuten?
    Als ihr Vater ihr zuwinkte, sah sie Lehmko, der seinen Wagen wendete. Er drehte das Fenster herunter.
    »Es ist kalt. Soll ich euch mitnehmen?«
    »Nein, danke«, antwortete ihr Vater.
    Amalia schlug sich mit der Hand an die Stirn. »O Mann, ich glaub’s nicht.«
    »Wir laufen nach Hause. Ein bisschen frische Luft tut uns gut.«
    »Eisige Luft … antarktische Kälte … abgefrorene Zehen … Keinen Bock mehr …« Amalia ließ ihrem Unmut freien Lauf. In diesem Fall gab ihr Alice sogar recht. Was wäre dabei gewesen, wenn Lehmko sie mitgenommen hätte?
    Neben Lehmko saß die alte Grundinger. Sie hatte die Augen geschlossen.
    »Wo ist Stephan heute?«, fragte ihr Vater.
    Lehmko machte eine entschuldigende Geste, überschwänglich wie alle seine Gesten, als stände er vor seinem Pult, wenn er erklärte, dass die Erdkruste auf flüssigem Magma schwamm.
    »Stephan ist krank. Wintergrippe. Er hat Fieber, sonst hätte er den Josef gespielt.«
    »Na, dann gute Besserung.«
    Lehmko machte das Fenster wieder zu, und Sekunden später preschte sein Wagen in das Schneegestöber.
    Ihr Vater und ihr Großvater machten sich auf den Weg. Der Schneefall wurde dichter. Alice warf noch einen Blick auf den Ort, wo die tote Katze gelegen hatte. Doch da war nichts mehr. Jemand hatte den Kadaver entfernt. Selbst die Blutspuren waren vom Schnee verweht. Doch es gab heute viele, die den blutigen Beweis auf ihrer Stirn trugen. Sogar Lehmko hatte ein blutiges Kreuz auf der Stirn.
    »Kannst du nicht schneller laufen?«, rief Amalia.
    Alice hatte sich entschlossen, das Geschwätz ihrer Schwester als genauso belanglos zu betrachten wie etwa Verkehrslärm. Ihr Vater und ihr Großvater gingen hundert Meter voraus. Amalia blieb

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