Die Eistoten: Thriller (German Edition)
schlimme Nachricht vorbereitet, aber nicht auf das …«
»Ina war tot. Jemand hatte sie umgebracht.«
»Wenn wir das wüssten! Die offizielle Todesursache war Tod durch Erfrieren. Der Pfarrer hatte sie gefunden. An der Hinterseite der Kirche, zwischen Friedhofsmauer und Kirche. Dort hatte niemand am Vorabend gesucht. Georg Zugl warf sich dies ständig vor. Doch Inas Leiche war merkwürdig. Sie hockte in der Ecke. Das Schrecklichste war, dass ihre Augen offen waren. An ihren Füßen lag ein Hund. Er war ebenfalls erfroren. Es sah aus wie die Szene auf einem Bild. Stillleben, du weißt schon, diese Bilder holländischer Maler, auf denen ein Schädel, eine Sanduhr, verwelkte Blätter und ein Glas Wein zu sehen sind.Die Polizei hat keine Spuren von Fremdeinwirkung festgestellt. Anscheinend war Ina einfach eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht.«
»Und der Hund auch?«
»Es war ihr Hund. Die Polizei vermutet, dass sich der Hund zu Ina gelegt hat, um sie zu wärmen. Doch in dieser Nacht war es bitterkalt. Sie hatten beide keine Chance.«
»Und warum ist sie von zu Hause weggelaufen?« Alice verbarg nicht, dass sie die Erklärungen ihres Großvaters mehr als dürftig fand. »Ich meine, man rennt doch nicht einfach aus dem Haus, setzt sich an eine Wand in einer eisigen Winternacht, um dort zu sterben?«
»Ihr Vater hat uns nichts sagen können. Es gab keinen Grund, warum Ina weggelaufen sein könnte.«
»Und du hast ihm das geglaubt?«
»Ein Vater, der sein Kind verloren hat, ist niemand, der zuverlässige Tatsachen berichten kann. Zugl gab sich sowieso die ganze Schuld. Seine Frau erlitt einen Nervenzusammenbruch. Sie saß vor dem Fernseher, als sie die Nachricht erfuhr. Sie schaute ›Wetten, dass?‹. Daran konnten sich auch noch die Polizisten erinnern, die sie in die Klinik begleitet haben. Die Mutter Inas war wie in einer Zeitschleife gefangen. Selbst noch Wochen nach dem Unfall hockte sie auf einem Stuhl und gab nur einen Satz von sich: ›Top, die Wette gilt …‹ Egal, welche Frage man ihr stellte.«
»Was ist mit ihr geschehen?«
»Nichts. Sie ist noch immer in der psychiatrischen Klinik in Kempten. Vom Tod ihres Mannes hat sie nichts mitbekommen. Ich habe sie einmal besucht. Der Arzt meinte, sie sei geistig umnachtet, doch jeder Besuch könne sich positiv auf sie auswirken. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering sei, dass sie jemals wieder ins Leben zurückkehre.«
»Hat sie was gesagt?«
»›Top, die Wette gilt …‹«
»Und was ist aus Zugl geworden?«
»Für ihn stand fest, dass seine Ina ermordet worden war. Anfangs dachten wir, der Schmerz hätte ihn so zerfressen, dass er nicht mehr klar denken konnte. Es gab ja keine Spur.«
»Irgendwas musste Zugl doch auf die Idee gebracht haben, dass es kein Unfall war?«
»Es gab auch etwas, aber das war eher eine weit hergeholte Vermutung.«
»Und die Polizei – was meinte sie dazu?«
»Für sie war der Fall schnell abgeschlossen. Unfall. Die Aussage Zugls nahmen sie nicht ernst. Sie hielten es für eine Schutzbehauptung, wie es so schön heißt. Sie glaubten, dass Zugl die Mordhypothese nur aufbrachte, weil er nicht auf seine Tochter aufgepasst hatte.«
»Und glaubst du das auch?«
»Anfangs ja, dann aber habe ich die Akten eingesehen. Ich hatte deinen Vater darum gebeten. Er war nicht begeistert. Eines Morgens lagen jedoch Kopien der Akte auf dem Tisch. Und da fand ich auch Einzelheiten, die Zugl aufgefallen waren, die aber die Polizei bei ihrer Untersuchung ignoriert hatte. Die Unfallthese war zu plausibel. Zugl bekam noch ein Verfahren wegen Verletzung der Aufsichtspflicht an den Hals. Der Richter stellte das Verfahren ein, und das war’s.«
»Was waren das für Einzelheiten?«
»Die Position der Leiche. Sie hockte nicht ganz am Boden, sondern verharrte ein paar Zentimeter über dem Boden. Nur die Füße standen fest. Und der Rücken war gegen die Mauer gelehnt. Zugl meinte, dass sie sich nicht hingesetzt haben konnte. Das war einfach unmöglich. In der Tat war das seltsam. Hätte Ina sich hingesetzt und wäre eingeschlafen, dann wären ihreMuskeln erschlafft. Sie wäre zusammengesunken und mit dem Rücken die Wand hinuntergerutscht. Auch der Kopf wäre zur Seite gekippt. Doch der Kopf der Leiche war aufrecht.«
»Sie starb also nicht in dieser Position und …«
»… ja und wahrscheinlich nicht an diesem Ort. Zugls Verdacht war nicht von der Hand zu weisen. Seiner Tochter musste etwas anderes zugestoßen sein als ein tödlicher
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