Die Eistoten: Thriller (German Edition)
Polizei.«
»Krieg dich wieder ein.
»Konntest du sehen, wer es war?«
»Nein, aus meinem Versteck konnte ich nichts sehen.«
»Hast du meine E-Mail bekommen?«
»Was hat es mit den Eistoten auf sich?«
»Das war ein seltsamer Artikel. Er erschien nur einmal im Allgäuer Blatt. Auch der Journalist J. M. Nie von ihm gehört. Im Netz taucht er bis auf diesen Artikel nicht auf. Ich vermute, es ist die Abkürzung seines richtigen Namens oder ein Pseudonym.«
»Wozu ein Pseudonym?«
»Vielleicht ein Lokalredakteur im Allgäuer Blatt, der seinen Namen raushalten wollte. Er führt keinen einzigen Beweis auf, noch erwähnt er die Polizei. Eigentlich sagt er nur, dass es in den letzten Jahren wiederholt Todesfälle durch Erfrieren gab.«
»Nichts Besonderes in einer Gegend in den Bergen. Harte Winter. Skifahrer und Wanderer, die schlecht ausgerüstet sind.«
»Aber dieser J. M. geht weiter. Er hat Fälle gefunden, für die es keine Erklärung gibt. Verkehrstote, Wanderer, die sich in den Bergen im Schneesturm verirrt hatten, Obdachlose, die unter Brücken einschliefen und nicht mehr aufwachten, all diese Fälle hat er rausgestrichen. Er schreibt, dass seit zehn Jahren dreißig dieser Fälle aufgetaucht sind. Alle in verschiedenen Orten zwischen Sonthofen, Hindelang und Hintereck. Doch jetzt kommt der Hammer: Die Todesfälle, von denen J. M. spricht, geschahen alle in der Weihnachtszeit. Und alle Leichen fand man in der Nähe einer Kirche, einer Kapelle oder einer Heiligenstatue.«
»Das trifft bei der Toten im Wald nicht zu«, sagte Alice und hielt die Hand an die Hörmuschel. Fehlte nur noch, dass ihre Schwester hinter ihr stand.
»Ja, aber ansonsten stimmt alles. Die Toten, schreibt der Journalist, sahen aus, als hätte man sie absichtlich so platziert. Wie für ein Foto. Entweder stehend, kniend oder den Kopf auf den Arm gestützt. Die Polizei ging davon aus, dass es sich um tragische Unglücksfälle handelte. Keine Fremdeinwirkung. Der Tod trat durch Unterkühlung ein. J. M. nennt sie die Eistoten. Der Journalist durchforstete Polizeidaten und Zeitungen und vermutete, dass die ersten Eistoten 1995 auftauchten. Von 2001 bis 2003 hatte der Journalist keine Toten gefunden, die in sein Schema passten. Die Eistoten waren verschwunden. Dann tauchten sie wieder auf. 2003, in Hintereck.«
»Die Tote hieß Ina Zugl.«
»Woher weißt du das? In dem Artikel stehen keine Namen.«
»Von meinem Großvater. Der Journalist war nicht der Einzige, dem etwas aufgefallen war. Der Vater der Toten hatte nie an einen Unfall geglaubt. Er war fest davon überzeugt, dass seine Tochter ermordet worden war.«
»Eine weitere Gemeinsamkeit der Toten ist …«
»… es waren allesamt junge Mädchen.«
»Sie hatten allerdings nicht alle das gleiche Alter.«
»Das spräche für einen Serienmörder. Er folgt einem gewissen Schema. Sie gehen dabei akribisch vor. Lee Hatman schreibt in seinem Buch über Serienmörder, dass Serienmörder zwanghafte Rituale haben. Es gibt immer eine gewisse Logik in ihren Handlungen. Meistens wählen sie ihre Opfer sorgsam aus nach einem bestimmten Kriterium, das in ihr Tötungsschema passt.«
»Das Alter der Opfer kann es nicht sein«, warf Tom ein. »Das jüngste Opfer war gerade einmal acht Jahre alt, das älteste war eine erwachsene Frau. Mutter von zwei Kindern.«
»Er sucht aber weibliche Opfer. Er tötet sie …«
»… das ist in keinem Fall bewiesen. Offiziell waren es tragische Unfälle.«
»Weil es keine Untersuchung gab. Ich bin mir sicher, dass man bei einer Untersuchung etwas findet. Der Mörder wird sie ja nicht zwingen, still zu sitzen, bis sie erfroren waren.«
»Vielleicht hat er sie betäubt?«
»Habe ich mir auch schon gedacht. Aber wie bekommt er sie dann in die Positionen?«, fragte Alice.
»Er hat sie betäubt und irgendwie fixiert, und dann stellt er sie auf wie Puppen.«
»Wie Puppen …«, dachte Alice laut.
»Hast du eine Idee?«
Ihr Vater kam in die Küche. Alice flüsterte und verdrückte sich ins Wohnzimmer.
»Lee Hatman beschreibt Robert Bundy als Prototyp des Serienmörders. Intelligent und mit einer gespaltenen Persönlichkeit. Wenn sie in ihrem Tötungsmodus waren, gehorchten sie anderen Gesetzen. Bundy wollte seine Opfer nicht nur besitzen. Indem er sie tötete, wurden sie ein Teil von ihm. Er hat sie sich einverleibt.«
»Aber die Eistoten wurden nicht einverleibt?«
»In der Logik des Mörders schon. Indem er sie tötet und in diese seltsamen Positionen
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