Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
hatten, verbreitete sich die Kunde davon wie ein Lauffeuer.
Doch es sprach den König niemand darauf an. Keandir glaubte eine Mischung aus Schauder und Bewunderung bei den meisten zu spüren. Bewunderung dafür, dass er den Riesenvogel geistig bezwungen hatte, aber gleichzeitig ein Schauder vor dem, was in ihm war. Aber sie folgten ihm weiterhin.
Der Nebel löste sich schließlich mehr und mehr auf. Das Elbenheer gelangte in ein Gebiet, das von sanften Erhebungen und Hügeln gekennzeichnet wurde. Immer wieder musste man auf Flügelschlangen achten, die sich in keiner Weise geistig oder magisch beeinflussen ließen. Woran das lag, dafür hatte selbst Kriegsheiler Eónatorn keine Erklärung. Vielleicht waren diese Geschöpfe einfach zu alt, als dass sie auf irgendeine Form von jüngerer Magie, wie sie unter Elben normalerweise gebräuchlich war, reagierten. Das Beste war, ihnen einfach auszuweichen.
Zwischen und auf den Hügeln gab es größere Kolonien riesiger Schachtelhalme. Sie erreichten die Größe von Bäumen. Über moorigen Tümpeln flirrten eigenartige Insekten, von denen manche erschreckende Ausmaße hatten. Libellen von einer Flügelspannweite, die einem elbischen Unterarm entsprach, tanzten über den Wasserflächen in der Luft.
Fleischfressende Pflanzen warteten nur darauf, dass irgendwelches Getier in den Radius ihrer Maulkelche geriet.
Hin und wieder schnellte einer dieser Maulkelche hervor und schnappte nach einem Insekt oder einem bibergroßen Kriechtier. Manchmal tauchten sie aus dem Wasser auf oder schnellten zwischen dem Uferschilf hervor. Anschließend folgten dann meist so unappetitliche Schmatz- und Verdauungsgeräusche, dass einem Elben davon schlecht werden konnte. Selbst Siranodir, der gar nicht die volle akustische Bandbreite dieser Geräusche mitbekam, die durch die Nahrungsverwertung dieser Pflanzen entstanden, hatte Mühe, die Fassung zu bewahren.
Die Zentauren hingegen schienen davon unberührt, mit Ausnahme Sokranos’, der ein ähnlich verstörtes Gesicht machte wie viele der Elbenkrieger.
»Ihr scheint Euch durch die lange Zeit, die Ihr schon unter Elben lebt, von den Vorgängen in der Natur entfernt zu haben«, stellte Häuptling Damaxos fest.
»Im Zentaurenwald habe ich nie solche grässlichen Laute gehört«, verteidigte sich sein Botschafter. »Die gehen einem durch und durch und lassen es einem unmöglich erscheinen, innerhalb der nächsten Woche auch nur irgendetwas an Nahrung zu sich zu nehmen.«
»Ich will offen zu Euch sprechen: Ihr redet vollkommenen Unsinn«, meinte Damaxos. »Eure Worte zeigen mir, wie sehr es notwendig ist, dass Ihr in den Wald zurückkehrt, in dem schon die ersten der Söhne Axanos’ lebten.«
Sokranos entgegnete nichts darauf. Offenbar wollte er den zweifellos noch anstehenden Konflikt mit seinem Häuptling erst einmal verschieben. Aber man brauchte kein besonderer Kenner zentaurischer Mimik und Körpersprache zu sein, um zu erkennen, dass er wahrscheinlich in seinem ganzen Leben nicht mehr zu seinem Stamm zurückkehren wollte, um unter den Söhnen Axanos’ ein konventionelles, also sehr naturverbundenes Zentaurenleben zu führen; dazu war es wohl einfach zu spät.
Als das Heer eine Hügelkette überwunden hatte, erblickten die Vordersten in der Ferne Dutzende von Hütten. Da das Land bis dorthin ausgesprochen flach war, konnte man sie schon von Weitem sehen. Sie waren aus Flechtwerk errichtet.
»Ein Trork-Lager«, erkannte Häuptling Damaxos. »Sie errichten solche Hütten, wenn sie irgendwo länger bleiben.
Selbst wenn sie in unser Waldreich eindrangen, taten sie das.
Wenn sie dann weiterziehen, lassen sie die Hütten einfach so stehen und nehmen auch sonst nichts mit. Da sie keinerlei Transportmittel abgesehen von ihren eigenen Rücken kennen, sind sie dazu gezwungen.«
»Seht ihr die schwarzen Vögel, die über dem Lager kreisen?«, fragte Keandir.
Ja, auch die Zentauren sahen sie. Es waren krähenähnliche Tiere, doch sie hatten eine Flügelspannweite von fast zwei Metern. Sie zogen immer engere Kreise, und manchmal stieß einer hinab zum Boden, um sich dort irgendetwas zu schnappen, einen guten Bissen vermutlich.
»Aber ich sehe keinen Rauch«, sagte Damaxos. »Die Lagerfeuer sind alle erloschen. Das ist merkwürdig.«
»Und auch kein Trork ist zu sehen«, stellte Mirgamir fest.
»Irgendetwas scheint dort nicht zu stimmen!«
Als Keandir und sein Heer das Trork-Lager erreichten, bot sich ihnen ein Bild des Grauens. Die Leichen
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