Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Bügel nicht aus! Ihr habt einen größeren Kopf, und daher ist es nicht möglich, den Dunkelseher richtig an Euren Ohren zu befestigen.«
»Das ist mir durchaus klar«, entgegnete Thamandor, der das Gestell fast ehrfürchtig aus Jays Hand entgegennahm und sich auf die Nase setzte.
Er blickte ins Feuer.
»Ich glaube, es ist vielleicht nicht gerade die ideale Tageszeit, um einen Dunkelseher auszuprobieren«, murmelte Jay.
»Dann darf ich den Versuch wiederholen, wenn es hell ist?«
»Ihr dürft.«
»Faszinierend ist es aber auch jetzt schon«, gestand Thamandor der Waffenmeister ein. »Eine ähnliche Vorrichtung könnte einem Armbrustschützen bei grellem Sonnenschein das Zielen erleichtern, zumal wenn der Feind in Richtung der Sonne steht und sich ihre Blendwirkung zum Vorteil machen will.«
»Ich höre da einen verwandten Geist!«, entfuhr es Jay. »An diese Möglichkeit hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber Ihr habt natürlich recht.«
Waffenmeister Thamandor setzte den Dunkelseher wieder ab.
Er hatte gar nicht erst versucht, die Bügel hinter die Ohren zu klemmen; zu groß war die Diskrepanz zwischen der Länge der Bügel und dem Abstand zwischen Thamandors Augen und seinen Ohren. Er reichte den Dunkelseher an Jay zurück.
»Hättet Ihr vielleicht die Güte, mir den Namen jenes genialen Geistes zu verraten, der dazu imstande war, so etwas hervorzubringen?«
»Nun, die Bescheidenheit verbietet mir, darüber viele Worte zu verlieren.«
»Ich bitte Euch, ich muss mit dieser Person sprechen!«
»Nun, dann will ich nicht verhehlen, dass Ihr sie bereits kennengelernt habt, wenn auch nur flüchtig.«
Thamandor starrte den Halbling entgeistert an, als er endlich
– und wahrscheinlich als Letzter in der Runde – begriff, von wem die Rede war. »Nein! Ihr, werter Jay?«
»So ist es. Und das war auch einer der Gründe, weshalb ich zusammen mit meinen Gefährten und Geschäftspartnern ins Reich der Kleinlinge reisen wollte. Ich beabsichtige dort eine Manufaktur zu gründen für die Herstellung von Dunkelsehern.
Die Hände der Kleinlinge sind nun mal sehr viel feingliedriger als unsere. Und als die groben Pranken von Euch Doppellingen erst recht; wie es Angehörigen Eures Volkes überhaupt je gelang, irgendwelche feineren Mechanismen zu konstruieren, ist mir bis heute ein Rätsel.«
»Wir müssen uns unbedingt einmal über ein paar Dinge unterhalten«, meinte Waffenmeister Thamandor. »In aller Bescheidenheit muss ich nämlich gestehen, dass auch ich ein Erfinder bin, dem trotz des von Euch vermuteten Handikaps von vergleichsweise groben Fingern einiges gelungen ist, wie ich ebenfalls in aller Bescheidenheit feststellen möchte.«
Der Zentaurenhäuptling Damaxos gähnte in diesem Moment ausgiebig und auch relativ laut, wie es unter Zentauren allgemein üblich war. Davon, die natürlichen Geräusche des Körpers zu unterdrücken, hielt man unter Zentauren nichts.
»Vielleicht sollten wir die letzten Stunden vor Sonnenaufgang tatsächlich nutzen, um noch etwas Schlaf zu finden«, meinte er. »Wir müssen ausgeruht sein, wenn wir den Trorks begegnen.«
Auch wenn es Isidorn schwerfiel, dies einzusehen, es hatte einfach keinen Sinn, sich auf den Weg zu machen, solange es noch dunkel war. Dazu war Wilderland einfach zu gefährlich…
Zur gleichen Zeit stand Königin Ruwen einsam an den Zinnen des Westturms von Burg Elbenhaven und blickte in die Ferne.
Über Stadt und Burg spannte sich ein funkelnder Sternenhimmel. Es war eine kalte, klare Nacht, aber Ruwen spürte die Kälte nicht. Ein leichter Wärmezauber sorgte dafür, dass sie nicht einmal eine Gänsehaut bekam.
Nur die kalte Hand, die nach ihrem Herzen zu greifen schien, konnte sie mit diesem Zauber, der zur elbischen Alltagsmagie gehörte, nicht bekämpfen.
Kean! Wo bist du? Was gäbe ich um einen einzigen Gedanken von dir, der mir sagt, dass du lebst!
In dieser Nacht saß Andir auf einem Felsplateau in den Bergen von Hoch-Elbiana. Aber für die Sterne und den Mond in dieser klaren, kalten Nacht hatte er keinen einzigen Gedanken frei. Und was die Kälte betraf, so war er durch seine immensen magischen Fähigkeiten noch unempfindlicher dagegen als beinahe alle anderen Elben.
Jeder Muskel und jede Sehne in Andirs Körper waren angespannt. Sein Geist war hochkonzentriert. Nur wenige Meter von ihm entfernt befand sich eine hoch-elbianitische Riesenraubkatze. Ein dumpfes, sehr tiefes Knurren drang aus ihrer Kehle. Das Maul mit den riesigen
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