Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
säbelartigen Hauern war halb geöffnet. Die gelben Katzenaugen hatten ihren starren Blick wie gebannt auf Andir gerichtet.
Ich berühre deinen Geist und beherrsche ihn.
Eine Waffe hatte Andir nicht mit in die Berge genommen, denn er wusste, dass seine stärkste Waffe immer bei ihm und untrennbar mit ihm verbunden war.
Die Kraft seines Geistes.
Der Körper ist nur die Form, aber der Geist der Inhalt.
Andir begegnete dem Blick der Bestie, und er war sich vollkommen sicher, dass sie ihn nicht angreifen würde. Ihr Geist war schwach und leicht zu steuern. Nicht so schwach wie der eines Pferdes. Aber schwach. Und doch wäre kein anderer Magier oder Schamane in der Lage gewesen, ein Tier dieser Geistesstärke zu bezwingen.
Warum litten die Elben seit einiger Zeit unter dieser geistigen Schwäche? Diese Frage beschäftigte Andir. Eines Tages würden die Elben Zügel gebrauchen müssen, um ihre Pferde zu lenken. Eines Tages würden sie giftige Tinkturen benutzen müssen, um lästige Insekten zu verjagen und davon abzuhalten, sie zu stechen. Eines Tages würden sie in vielerlei Hinsicht so geistesschwach und seelentaub wie die Rhagar sein, wenn dieser Prozess anhielt.
Es musste einen Grund für diese Schwäche geben, und Andir hatte verzweifelt und unter Einsatz all seiner Geisteskräfte nach diesem Grund gesucht.
Er hatte ihn nicht gefunden. Stattdessen hatte er das Ausmaß erkannt, in dem diese Schwäche der Magie auch ihn selbst betraf, und diese Erkenntnis ließ ihn manchmal vor Angst erstarren.
Irgendetwas an der Bestie war anders, als es sein sollte. Andir spürte eine Art von Magie, die ihm vertraut war. Zuerst hatte er sie kaum registriert, doch sie wurde merklich stärker.
Die Raubkatze verwandelte sich in pures Licht. Und dieses Licht veränderte seine Form. Andir erkante sofort, dass es das Licht eines Eldran war. Er schützte die Augen mit der Hand vor diesem Gleißen, das greller als die Sonne war.
Die Lichterscheinung veränderte sich, während sich Andirs Augen an die Helligkeit gewöhnten, welche die Gestalt nun wie einen Strahlenkranz umgab.
»Es ist Brass Elimbor, der zu dir spricht«, hörte er eine Stimme, die direkt in seinem eigenen Kopf entstand. »Ich muss dich warnen. Dich und die Elbenheit!«
»Warnen?«, fragte Andir. »Wovor?«
Und dann sprach der Geist von Brass Elimbor viele Worte, die Andir in sich aufnahm. Am Schluss traf ein Lichtstrahl seinen Kopf und sandte ihm viele Bilder. Andir stöhnte auf unter der Menge dessen, was in seinen Geist gepflanzt wurde.
Dann fuhr der Strahl an seinen Gürtel, wo sich ein Beutel befand, in dem er jenen Kristall aufbewahrte, in den er das gesammelte Wissen seiner Bibliothek gebannt hatte. Auch in diesen Kristall fuhr der Strahl, ehe er schließlich verlosch.
Brass Elimbor war fort.
Er hatte den Geist der Raubkatze benutzt, um mit Andir in Verbindung zu treten, erkannte der Elbenprinz. Die Raubkatze selbst war nichts weiter als eine Raubkatze.
Und so handelte sie auch: Sie setzte zum Sprung an!
Andir verscheuchte sie mit einem einfachen Gedankenbefehl.
Die Bestie lief davon, dabei zornig brüllend, denn sie handelte gegen ihren eigenen Trieb. Gegen ihren Hunger. Gegen alles, was ihrer Natur entsprach.
9
DER AXTHERRSCHER ERSCHEINT
Sobald die ersten Sonnenstrahlen über den Horizont krochen, brach das Heer der Elben und Zentauren unter König Keandir auf. Man wies Jay Kanjid eines der überzähligen Pferde zu, die den Zug begleiteten. Zunächst gab es zwischen Jay und seinem Reittier ein paar Verständigungsprobleme, denn das Tier war es nicht gewöhnt, mit Zügeln gelenkt zu werden statt mit geistigen Befehlen. Aber Jay schaffte es schließlich, dass sich das Pferd dorthin wandte, wohin er es mit Hilfe der Zügel dirigierte. »Ihr mögt meinen wenig eleganten Reitstil entschuldigen, aber es ist uns Halblingen nun mal nicht gegeben, solche Tiere unter unsere geistige Kontrolle zwingen zu können«, sagte Jay.
»Entschuldigt Euch bei Eurem Pferd«, entgegnete Mirgamir; der Kommandant der königlichen Leibwache ritt neben dem Halbling, um im Notfall durch einen energischen Gedankenbefehl einzugreifen, damit Jay keinen unsanften Abstieg von seinem Gaul erlitt. »Es begreift einfach nicht, dass sein neuer Reiter nicht über die geistige Kraft eines Elben verfügt.«
»Danke, ich höre solche Komplimente immer gern«, erwiderte Jay Kanjid. »Ich hatte nun mal nicht Jahrhunderte Zeit für meine geistige Reifung wie die meisten der
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