Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
Gnomenkrieger hatte er nichts bemerkt. Seine magischen Sinne schienen für dieses Ereignis vollkommen unempfänglich gewesen zu sein.
Allerdings gab er an, in jener Nacht, als der Axtkrieger und seine Gnome in einer parallelen Sphäre Elbenhaven heimgesucht hatten, von Brass Elimbor geträumt zu haben, obwohl er dem ehemaligen Obersten Schamanen der Elben nie begegnet war.
»Ich sah ihn einen Tanz aufführen«, erzählte Andir. »Und obwohl er bereits vor meiner Geburt gestorben ist, wusste ich sofort, dass es Brass Elimbor war. Er sprang mit einem Schwert aus Feuer umher – und dieses Schwert veränderte seine Länge innerhalb eines Augenaufschlags um das vier- bis fünffache.« Andir zuckte mit den Schultern, legte den Kristall, den er gerade mit dem Inhalt eines Buches mit Legenden aus der Vorzeit Athranors gefüllt hatte, zur Seite und erhob sich von seinem Stuhl. Die weiße Kutte aus sich selbst reinigendem Elbenzwirn schimmerte im Sonnenlicht, das durch eines der hohen Fenster fiel. »Ich habe versucht, in diesem Tanz irgendeine Bedeutung zu erkennen, irgendeine Symbolhaftigkeit. Aber es ist mir leider nicht gelungen, den Zweck und Sinn des Tanzes zu entschlüsseln.«
»Manchmal sind die Dinge einfach nur das, was sie sind«, sagte Magolas hart.
»Meiner Erfahrung nach ist das so gut wie nie der Fall«, widersprach Andir.
»In diesem Punkt unterscheiden sich unsere Ansichten dann wohl voneinander. Aber das, was du gesehen hast, war kein Tanz, sondern ein Kampf!«
»Ein Kampf ohne Gegner?«
»Dein Bewusstsein hat diesen Gegner einfach ausgeblendet«, war Magolas überzeugt. »So wie du wohl die gesamte dunkle Seite der Welt ausblendest. Deine Kutte aus Elbenzwirn kennt keinen Schmutz, und deine Träume halten einen Kampf für einen Tanz!« Magolas schüttelte den Kopf. »Mein Bruder, was ist nur aus dir geworden?«
»Es hat keinen Sinn, wenn wir uns unsere Unterschiedlichkeit gegenseitig vorwerfen«, sagte Andir. »Ich habe dir nur geschildert, was ich geträumt habe, das ist alles. Ob dies etwas mit den offenbar durch dunkle Magie verursachten Erlebnissen zu tun hatte, die unser König und du in jener Nacht hattet, das entzieht sich meiner Kenntnis.«
Unser König!, echote es in Magolas Kopf wider. Andir sprach von unserem König anstatt vom Vater. Der Akzent, den Andir damit setzte, wurde Magolas durchaus bewusst. In den Jahren vor der Schlacht an der Aratanischen Mauer, als Andir mit seiner weißen Elbenmagie und der führenden Rolle, die er in der Magiergilde Elbianas spielte, maßgeblich zur Errichtung des Elbenreichs beigetragen hatte, war die Verbindung zwischen Keandir und seinem erstgeborenen Sohn zweifellos sehr eng gewesen. So eng, dass es Magolas manchmal geschmerzt hatte. Aber mittlerweile trennte sie offenbar einiges.
Es musste die Finsternis sein, die sowohl in ihm selbst – in Magolas – als auch in der Seele seines Vaters schlummerte, ging es Magolas durch den Kopf. Mit dieser Finsternis wollte Andir nichts zu tun haben. Und seine Suche nach Erkenntnis war, so glaubte Magolas, nur eine Flucht davor.
»Du willst nach wie vor gehen?«, fragte Magolas.
»Meine Pläne haben sich nicht geändert«, sagte Andir. »In diesem Frühjahr wird es so weit sein.« Er deutete auf den Kristall, den er auf den Tisch neben das Buch mit den Legenden aus der Vorzeit Athranors abgelegt hatte. »Ich bin mit meiner Arbeit fast fertig, sodass meinem Aufbruch nichts mehr entgegensteht.«
»Du darfst Elbenhaven nicht verlassen«, sagte Magolas. »Es mag dir eigenartig erscheinen, dass ausgerechnet ich dich so beharrlich darum bitte, aber der Diebstahl der Zauberstäbe des Augenlosen Sehers und die Vernichtung des Elbensteins Athrandil hat alles verändert. Es gibt dort draußen, jenseits unserer Grenzen, irgendeine Macht, die uns bedroht. Eine Macht, gegen die sich selbst die Bedrohung durch die Rhagar wie ein laues Lüftchen ausnimmt. Die mächtigsten magischen Artefakte, die wir kennen, befinden sich nun in den Händen dieses Axtkriegers, und wir wissen nicht, welche Pläne er verfolgt oder wem er dient. Aber er hat die Macht, uns bisher unbekannte Sphären zu betreten und diese Fähigkeit für sich zu nutzen, und er vermochte es, die Stäbe des Augenlosen aus der bestbewachten Burg Elbianas zu stehlen, ohne dass mehr als nur zwei Elben davon etwas bemerkten. Ich sage es ungern, aber das Elbenreich braucht dich!«
»Wirklich?« Andirs Stimme hatten einen harten Unterton angenommen, glasklar und kalt
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