Die Elben - 02 - Die Könige der Elben
wie die Kristalle, die er verwendete, um darauf die Weisheiten seiner Bücher zu speichern. Er hatte schon seit Längerem nicht mehr an den Sitzungen des Kronrates teilgenommen. Zuerst hatten sich die anderen Mitglieder des Rats darüber gewundert, doch schließlich hatte man es einfach hingenommen, dass sich der vergeistigte Anführer der Magiergilde offenbar mit wichtigeren Dingen beschäftigte als mit profanen Regierungsgeschäften und Entscheidungen, die zur Erhaltung eines Reichs nun mal vonnöten waren; vielleicht tat man ja gut daran, ihn nicht wegen jeder Kleinigkeit aus seiner gedanklichen Versenkung zu reißen. So hatte man sich in jenem erlauchten Kreise inzwischen daran gewöhnt, dass Andir dort nur noch ein seltener Gast war, der sich noch seltener zu Wort meldete oder mit Vorschlägen hervortrat.
»Du musst unserem König und Vater klarmachen, dass er sofort eine Expedition ausrüsten muss, die versucht, diesem Axtkrieger zu folgen!«, bedrängte ihn sein Bruder.
»Muss ich das?«
»Das Schicksal des Elbenreichs könnte davon abhängen.
Davon bin ich überzeugt, Andir.«
»Und ich bin von etwas anderem überzeugt, Magolas«, widersprach Andir. »Dieses Reich ist das Reich unseres Vaters, nicht das unsere. Ich habe lange gebraucht, um mir dessen bewusst zu werden. Jetzt ist es an der Zeit, dass auch du dies begreifst, Magolas.«
Der Tag von Andirs Abschied kam. Er ritt nicht einmal auf einem Pferd, sondern auf einem der Maultiere, mit deren Zucht sich Andir schon vor langer Zeit beschäftigt hatte. Ein Maultier sei für die Bergwelt von Hoch-Elbiana, in deren zerklüftete Hänge er sich zurückzuziehen gedachte, einfach geeigneter.
Viel war es nicht, was er mitnahm, und seine Mutter Ruwen sorgte sich darum, dass er vielleicht nicht gut genug für seine Reise in die Einsamkeit vorgesorgt hätte. Aber dem widersprach Andir. »Macht Euch keine Sorgen, Mutter. Ich habe an alles gedacht, was notwendig ist, und mich von dem befreit, was ich nicht wirklich brauche.« Und zu König Keandir sagte er: »Seid unbesorgt, mein Vater.«
»Was ist, wenn Magolas und mir etwas zustößt?«, fragte Keandir. »Was ist, wenn das Volk der Elben ohne König dasteht?«
»Dann werde ich das wissen und sofort zurückkehren.«
»Das ist ein Versprechen?«, vergewisserte sich Keandir.
Andir nickte. »Das ist ein Versprechen«, bestätigte er, und dann ritt er fort. Von den Wehrgängen Burg Elbenhavens aus beobachtete König Keandir ihn noch lange. Sein Gewand schien in den Strahlen der Sonne zu leuchten, und Keandir erinnerte dieses Leuchten an den Lichtflor, der den Geist von Brass Elimbor umgeben hatte.
»Haben wir ihn verloren?«, fragte Ruwen, die neben dem König stand, seine Hand ergriff und sich an seine Seite schmiegte.
»Wenn das so sein sollte, dann haben wir ihn schon vor langer Zeit verloren«, sagte Keandir. »Außerdem bin ich davon überzeugt, dass er nicht ewig in der Einsamkeit der elbianitischen Berge bleiben und sich der reinen Erkenntnis widmen wird.«
»Aber gewiss für lange Zeit, Kean«, flüsterte Ruwen.
»Darüber sollten wir uns keinen Illusionen hingeben.« Sie wandte sich ihm zu und sah ihren Gemahl an. »Ich bitte dich um eines, Kean…«
»Um alles, was du willst, Ruwen.«
»Unseren ersten Sohn haben wir an die Magie und die Weisheit verloren. Lass nicht zu, dass wir auch unseren zweiten Sohn verlieren, Kean.«
»Nein, gewiss nicht.«
»Wirst du alles dafür tun?«
»Es ist das Wort des Elbenkönigs, das ich dir gebe.«
Lirandils Rückkehr ließ auf sich warten, während Magolas weiterhin darauf drängte, sich sofort auf die Suche nach dem Anführer der Axtkrieger zu machen. Doch schlimme Kunde drang aus den nördlichen Herzogtümern nach Elbenhaven. Die Trorks waren erneut in Nordbergen und Meerland eingefallen.
Herzog Isidorn von Nordbergen und sein Sohn Asagorn von Meerland pochten auf Erfüllung der Beistandspflichten, die der König des Elbenreichs seinen entfernten Provinzen gegenüber übernommen hatte. Und da Sandrilas nach Elbara aufgebrochen war, um die Befestigungsanlagen an der Aratanischen Mauer zu inspizieren, nahm König Keandir dies zum Anlass, selbst die Streitmacht anzuführen, die gegen die Trorks vorgehen sollte.
Magolas hingegen sollte in Elbenhaven zurückbleiben, was diesem augenscheinlich nicht behagte. Er sprach mit seiner Mutter darüber. »Er stellt sich nicht dem eigentlichen Problem«, sagte er und meinte damit seinen Vater.
»Stattdessen wartet er
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