Die Elefanten Hannibals
Hannibal.
Der Inder lächelte. „Nein, das Wichtigste kommt erst. Dieser Elefant ist noch ein Rekrut, aus dem ich erst einen Krieger, einen geschulten Kampfelefanten, machen muß. Er lernt jetzt die Ausgangsstellung vor dem Kampf, die einzelnen Bewegungen im Schlachtgetümmel, die Besonderheiten beim Kampf gegen Infanterie, Kavallerie und feindliche Elefanten sowie den Angriff auf das feindliche Heerlager."
Neben dem Dreieck stand eine Elefantenkuh mit ihrem Jungen. Offenbar sollte sie den Elefanten ablösen.
„Zähmt ihr die auch?" Masinissa zeigte auf das Jungtier.
„Aber nein!" Der Inder winkte verächtlich ab. „Die fangen wir bloß zum Spaß. Erst im Alter von zwanzig Jahren ist ein Elefant verwendbar, und am besten sind die vierzigjährigen. Übrigens kann man auch aus Jungtieren ausgezeichnete Kämpfer machen, wenn man genügend Zeit für ihre Dressur aufwendet. Sur, mein Leitelefant, wurde als Jungtier gefangen. Wir sind unzertrennliche Freunde; jetzt ist er zwanzig Jahre alt."
„Und wie alt ist der unter den Pfählen?" fragte Hannibal.
„Dreißig Jahre. Ein prächtiges Tier. Bestimmt wird er ein guter Kampfelefant."
„Gibt es auch Elefanten, die sich der Dressur nicht fügen wollen?"
„Ja, mit ihnen verfahren wir anders."
Der Inder führte Hannibal zu einem dritten Pferch. In seiner hinteren Ecke war ein Elefant mit dicken Seilen an die Pfähle gefesselt. Er versuchte mit aller Kraft sich zu befreien. Aber die Pfähle waren tief in die Erde gerammt, und je heftiger er an seinen Fesseln zerrte, um so tiefer schnitten sie in seinen Körper. Er brüllte so jammervoll, als wollte er die ganze Herde zu Hilfe rufen. Aber die anderen Elefanten blieben gleichgültig liegen und kümmerten sich nicht um den Hilferuf.
Offenbar haben die Tiere nicht viel Vernunft, da sie außerstande sind, ihrem Mitbruder zu Hilfe zu kommen, überlegte Hannibal. Demnach sind Elefanten leichter zu regieren als Söldner. Elefanten können keine Verschwörungen und Meutereien anzetteln.
Er war so sehr in seine Gedanken vertieft, daß er Masinissa vergessen hatte, und um so mehr überraschte ihn der Ausbruch des jungen Numidiers. Masinissa stürzte zu dem Elefanten hin und durchschlug mit dem Schwert eines der Seile, die ihn gefesselt hielten.
„Ich hasse euch!" Er sah Hannibal mit funkelnden Augen an. „Ich hasse euch alle! Die Elefanten sind besser als ihr. Sie leben in Freiheit und tun niemandem etwas zuleide. Friedlich weiden sie in unseren Grassteppen. Ihr Karthager habt viel Silber, doch wenig Gewissen. Euch genügen die Söldner nicht - ihr wollt auch diese sanften Tiere in Mörder verwandeln."
Noch am selben Tage verließ Hannibal mit Masinissa Richads Reich. Hannibal wollte es nicht riskieren, seine beginnende Freundschaft mit dem jungen Numidier noch einmal aufs Spiel zu setzen. In seinem Zorn hatte Masinissa das ausgesprochen, was er und seine Stammesgenossen von den Karthagern hielten.
Wir werden ihnen immer fremd sein, dachte Hannibal.
Das Mädchen Sophonisbe
Karthago raubte Masinissa die Fassung. Die große Stadt setzte jeden auswärtigen Besucher in Erstaunen, nicht nur den jungen Numidier. Wer sie zum erstenmal sah, staunte über die Tempel, die ihre Kuppeln stolz zum Himmel reckten, über die vielen hohen Häuser, über das Menschengewimmel auf den Straßen und Plätzen. Wahrscheinlich gab es allein auf dem Hafenmarkt mehr Menschen als in einem ganzen numidischen Stamm. Sie alle standen obendrein nicht still, sondern wogten hin und her, schienen einen merkwürdigen Tanz aufzuführen. Ihre Stimmen verschmolzen mit dem Gemuhe, Gewieher, Geblöke, Gemecker der unzähligen Tiere.
Es dauerte lange, bis sich Masinissa an den unruhigen Betrieb in der gewaltigen Stadt gewöhnt hatte. Er glaubte geradezu in einer Falle zu sitzen. Auf der Straße stieß er die Vorübergehenden an oder wurde von ihnen gestoßen. Als er einmal mitten auf dem Fahrdamm stehenblieb, um die Stockwerke eines Hauses zu zählen, prallten die Esel, die das Fuhrwerk eines Tonwarenhändlers zogen, gegen ihn. Die Tongefäße fielen auf das Straßenpflaster und zerbrachen. Sogleich sammelte sich eine lärmende Menge und sah müßig zu, wie der wütende Tonwarenhändler ihn packte und schüttelte, als wäre er ein Birnbaum. Zum Glück war Hannibal dabei und konnte seinen Freund erlösen, indem er den Wert der zerbrochenen Tongefäße bezahlte.
Er zeigte Masinissa an diesem Tage seine Vaterstadt.
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