Die Elefanten Hannibals
reite mit ihr davon. Niemand wird uns einholen."
„Aber Sophonisbes Vater wird sich bei deinem Vater beschweren. Gula ist ein Freund Karthagos, er wird Sophonisbe zurückgeben."
Masinissa schüttelte den Kopf so heftig, daß die Strähne an seinem Hinterkopf Hannibal fast ins Gesicht fegte.
„Wir werden in der Steppe bleiben. Dort will ich uns ein Zelt bauen, Honig sammeln, Wildziegen und Enten jagen. Wir werden Wildbret in Hülle und Fülle besitzen. Den Fußboden und die Wände des Zeltes will ich mit Löwenfellen bedecken, um Sophonisbe vor dem kalten Wind zu schützen."
Hannibal blickte Masinissa nachdenklich an. „Hast du Sophonisbe eigentlich schon gefragt, ob sie einverstanden ist, mit dir zu fliehen?"
„In meinem Lande fragt man ein Mädchen nicht nach seinem Einverständnis. Man entführt es und bezahlt seinem Vater das Lösegeld."
„Aber Sophonisbe ist kein Mädchen deines Stammes. In Karthago herrschen andere Sitten. Es ist noch die Frage, ob sich Sophonisbe in deinem Zelt wohl fühlen wird, ob es ihr gefällt, sich in Tierfelle zu hüllen, Ziegenmilch zu trinken und halbrohes Fleisch zu essen. Sie ist in einem steinernen Hause aufgewachsen, sie pflegt auf einem Teppich zu schlafen, sich mit Rosenöl einzureiben, gebratenes Fleisch zu essen. Wird sie sich an die Einsamkeit gewöhnen, an das nächtliche Löwengebrüll und Schakalengeheul? Hast du dir das überlegt?"
Masinissa stiegen die Tränen in die Augen. Jetzt erst begriff er, wie schlecht seine Sache stand.
Plötzlich kam Hannibal ein Gedanke.
Ob diese Sophonisbe vielleicht in der Lage ist, den Numidier an Karthago zu binden, ihn ebenso zu zähmen wie Richad seine Elefanten? „Laß den Kopf nicht hängen, Masinissa", sagte er. „Du hast unüberlegt gehandelt, aber ich will zu Sophonisbes Vater gehen und ihm erklären, daß es nicht in deiner Absicht lag, ihn zu beleidigen, und daß du es nur aus Unkenntnis unserer Bräuche getan hast. Wenn er ein kluger Mann ist, wird er es nicht ablehnen, mit einem numidischen König in verwandtschaftliche Beziehungen zu treten!"
„Ich bin kein König!" rief Masinissa.
„Aber du kannst eines Tages ein König werden. - In Karthago gibt es einen Brauch, den man Verlöbnis nennt."
„Verlöbnis?" wiederholte Masinissa.
„Ja, Braut und Bräutigam verloben sich im Tempel, indem sie dort Geschenke austauschen, und heiraten erst mehrere Jahre später. Ich will versuchen, von Sophonisbes Vater die Einwilligung zu einem Verlöbnis zu erhalten unter der Voraussetzung, daß die Hochzeit erst dann stattfindet, wenn du den Thron deines Vaters bestiegen hast."
„Jetzt beginne ich zu begreifen, warum der Alte so böse auf mich war", sagte Masinissa leise. „Als ich ihn um die Hand seiner Tochter bat und er antwortete, ich sei noch zu jung für die Ehe und seiner Tochter nicht würdig, da zog ich den Dolch und forderte ihn zum Zweikampf heraus. Aber er befahl seinen Dienern, mich hinauszuwerfen."
„Du hast deinen künftigen Schwiegervater zum Zweikampf herausgefordert?" Hannibal brach in schallendes Gelächter aus. „Bestimmt hast du ihn zu Tode erschreckt. - Überlaß die Sache mir. Du mußt nur herausfinden, wie Sophonisbes Vater heißt und wo sein Haus steht."
„Dort." Der Numidier zeigte auf Magara, den schönsten Teil der Stadt. „Siehst du die weißen Türme zwischen den blühenden Bäumen rechts vom Teich?"
Hannibal unterdrückte einen Aufschrei. Das war der Besitz Hannos, der Palast, dessen Bau nach Hamilkars Meinung der Republik großes Unheil zugefügt hatte. Denn während Hamilkar in Sizilien gegen die Römer kämpfte, hatte Hanno Karthagos afrikanische Besitzungen verwaltet, durch unerhörte Greueltaten, durch Raub und Mord dort viele Reichtümer zusammengerafft und sie zum Bau dieses Hauses verwendet, das die Paläste orientalischer Herrscher an Pracht noch übertraf. Es war nur verständlich gewesen, daß sich die ausgeplünderten Afrikaner den meuternden Söldnern angeschlossen hatten.
„Du warst bei Hanno!" sagte Hannibal finster. „Wer konnte annehmen, daß dich die Göttin Tanit ausgerechnet zu diesem Menschen führte." „Kennst du Hanno?" forschte Masinissa. Er merkte gar nicht, wie verstört Hannibal war.
„In unserer Stadt kennt jedermann Hannos Namen, obgleich nur wenige die Ehre haben, seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Er kämpfte zusammen mit meinem Vater gegen die meuternden Söldner und übte häufig das Amt eines Suffeten aus, wie die
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