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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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der Steppe, dort, wo die Elefanten grasen!"
    Richad hörte kopfschüttelnd zu. Hannibal phantasierte und sprach mit seinem Vater, der doch schon lange im Lande der Ahnen weilte. Er sprach von einer Sophonisbe. Wer mag das sein? überlegte der Inder. Dagegen war ihm Masinissas Name bekannt. So hieß doch der junge Numidier, der Sohn des Königs Gula, der einst das Seil durchgehauen hatte, mit dem ein störrischer Elefant an den Pfahl gefesselt gewesen war. Neun Jahre lag das nun schon zurück. Aber der Feldherr dachte noch immer an diesen eigensinnigen jungen Mann. Seltsam! 
    Gegen Morgen schlief der Inder ein und erwachte erst, als Hannibal ihm die Hand auf die Schulter legte.
    „Weißt du, Richad", sagte er, „wir haben beide etwas verloren - du all deine Elefanten bis auf einen und ich ein Auge." 
    Richad blickte auf. Hannibals rechtes Auge war stark entzündet. Aber man würde es noch retten können. Es brauchte Ruhe und gründliche ärztliche Behandlung. - Da nahm sich der Inder wortlos den schwarzen Stoffgürtel ab und verband seinen Feldherrn.
    Der schwarze Augenverband verlieh Hannibals Gesicht einen düsteren Ausdruck, aber Hannibal war froh. Er hatte sein Ziel erreicht - Flaminius umgangen und die Heere der beiden Konsuln gehindert, sich zu vereinigen. 
     
     
Ein unerwarteter Angriff
     
    Es war ein trüber Morgen. Die Oberfläche des großen Sees dampfte wie eine Schale, unter der ein Feuer brennt. Langsam krochen die grauen Nebelschwaden in die Berge, verdeckten alle Umrisse, füllten Täler und Schluchten und zerstreuten sich erst auf den Gipfeln, die von den ersten Strahlen der Morgensonne getroffen wurden. Nichts störte die Stille. Nur manchmal klang ein schwermütiger Vogelschrei aus den schilfbewachsenen Uferwiesen.
    Doch dann klirrten Waffen. Maultiere schnaubten, Pferde wieherten, Räder knarrten. Dumpfer Marschtritt näherte sich, und bald konnte man hören, wie die Zenturionen die zurückbleibenden Legionäre mit heiserer Stimme beschimpften, ihnen mit Rutenstreichen drohten und den Zorn der Götter auf ihr Haupt herabwünschten. Das römische Heer kam auf der von Cortona nach Rom führenden Straße heranmarschiert, die an dieser Stelle an den Trasimenischen See stieß. 
    Flaminius sprengte auf seinem Schimmel an den Soldaten vorbei. Er hatte es so eilig, daß er durch eine ungeschickte Bewegung ein Feldzeichen umstieß. Das galt als schlechtes Vorzeichen, aber Flaminius kümmerte sich nicht darum. Er hielt das Heer deshalb auch nicht an, um den Göttern ein Sühneopfer darzubringen. Mit seinen Gedanken war er völlig bei der bevorstehenden Schlacht. Als beschränkter Mann nahm er an, daß sich der Gegner so benehmen würde, wie er, Flaminius, es wünschte und für logisch hielt. Aber in Hannibals Vorgehen fand er diese Logik nicht. Zwar konnte er noch begreifen, daß Hannibal das Gebiet der Gallier deshalb so schnell verlassen hatte, weil er seine Verbündeten nicht mit Einquartierungen und Abgaben belasten wollte, und daß er einen Umweg um die Straße gemacht hatte und durch die Sümpfe gezogen war, um die nächste Schlacht in einer Tiefebene schlagen zu können und nicht in den Bergen, wo Servilius, der zweite neu gewählte Konsul, sein Lager aufgeschlagen hatte.
    Doch aus welchem Grunde zieht Hannibal in Eilmärschen weiter nach Süden, obgleich die etrurische Tiefebene, in der er sich zur Zeit befindet, für die Aktionen seiner Reiterei ein besonders günstiges Gelände ist? Will er Rom angreifen, obgleich er weiß, daß meine vier Legionen in seinem Rücken stehen? Oder hat er ganz einfach Angst gekriegt, als er erfuhr, daß ich der Oberbefehlshaber des römischen Heeres bin?
    Dieser Gedanke erfüllte Flaminius mit Stolz, und er richtete sich in den Steigbügeln auf und rückte seinen vergoldeten Helm zurecht. 
    Ja, dachte er, meine Eltern waren nur Plebejer, aber dennoch hat Rom mir in einer Zeit höchster Gefahr sein Schicksal anvertraut! Kein einziger von diesen hochmütigen Patriziern, die stolz darauf sind, wächserne Ebenbilder von ihren Ahnen zu besitzen, kommandiert in meiner Armee auch nur eine einzige Hundertschaft! Nach meinem Sieg über die Gallier hatten sie mir den Triumph, den feierlichen Einzug in Rom, verweigert und sich dabei auf den angeblichen Willen der Götter berufen. Nun aber, da Hannibals Horden auf Rom losmarschieren, brauchen sie mich wieder und haben mich geradezu angefleht, Konsul zu werden! 
    Flaminius lächelte höhnisch, als er sich vorstellte,

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