Die Elefanten Hannibals
welch saure Miene der ehemalige Konsul Publius Scipio ziehen würde, wenn er erführe, daß er, Flaminius, den angeblich unbesiegbaren Hannibal geschlagen hätte.
Wo mag sich der Karthager wohl augenblicklich befinden? Vermutlich auf derselben Straße wie ich. Das macht nichts, er wird nicht weit kommen. Für ihn und seine Krieger sind die Ketten schon bereit, in die wir sie schmieden werden. Ich habe zehn Fuhren mit Eisenketten bei mir.
Flaminius blickte sich um. Die Wagen, die im Zentrum der Marschkolonne fuhren, waren nicht zu sehen. Der vom Trasimenischen See heranziehende Nebel hatte sich verdichtet, und Flaminius konnte nur noch die verschwommenen Umrisse der vordersten Kolonne erkennen.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Es schien aus der Luft zu kommen. Ein Hagel von Steinen und Speeren prasselte auf ihn und seine Soldaten herab.
Ein Überfall! schoß es ihm durch den Kopf. Im selben Augenblick traf ihn etwas Schweres gegen den Helm. Er taumelte und klammerte sich mit beiden Händen an die Mähne seines Pferdes, aber das Tier war ebenfalls verwundet, es sank um.
Er sprang aus dem Sattel, um nicht zerquetscht zu werden, und betastete sich den Kopf. Der Helm war weg, links über dem Ohr blutete es, aber der Knochen war anscheinend heil geblieben. Die Feinde griffen an. Wegen des Nebels konnte Flaminius nicht erkennen, wie viele es waren.
An dieser Stelle wurde die Straße durch Felshänge eingeengt, so daß sich die Legionäre nicht zur Schlachtordnung formieren konnten. Die in der Mitte befindlichen Truppen versuchten, nach rechts und links auszubrechen, doch von dort kamen ihnen die anderen entgegen, auf der Flucht vor der karthagischen Reiterei.
Viele Legionäre stürzten sich in den See, um zu den kleinen Inseln zu gelangen, die ungefähr eine halbe Meile vom Ufer entfernt waren. Während sie mit hochgehaltenen Waffen durch das Wasser wateten, wurden sie zur Zielscheibe der balearischen Schleuderer, die eine regelrechte Jagd auf die Wehrlosen veranstalteten. In ihrer Verzweiflung versuchten die römischen Legionäre zu schwimmen, wurden aber von ihren Rüstungen in die Tiefe gezogen.
Andere versuchten, über die steilen Felshänge zu flüchten, rutschten aber ab und stürzten in die Tiefe. Viele baten die Karthager jammernd um Gnade. Aber auch sie starben unter den Schwerthieben.
Wo der Konsul Flaminius stand, entspann sich ein erbitterter Kampf.
Eine Gruppe von Legionären schützte ihn mit dem eigenen Leib.
„Formiert euch!" brüllte er mit blutüberströmtem Gesicht.
Die Legionäre bildeten einen Halbkreis und wehrten sich mit Todesmut gegen die andrängenden Gallier, deren Schwerthiebe pausenlos gegen ihre Schilde dröhnten. Dukarion beobachtete den Verlauf des Kampfes und hielt seinen Galliern den Rücken frei.
Plötzlich richtete er sich in den Steigbügeln auf. Sein Blick war auf Flaminius gefallen.
„Das ist er!" schrie er und stürzte sich ins dichteste Kampfgetümmel.
Als die Sonne höher stieg, zerteilte sich der Nebel. Die Inseln im See und das gegenüberliegende felsige Ufer wurden deutlicher erkennbar. Magarbal verfolgte mit den numidischen Reitern jene Römer, denen es gelungen war, unter dem Schutz des Nebels zu fliehen. Hannibals Söldner begannen das Schlachtfeld abzuernten, wie sie sich ausdrückten. Das war die Entschädigung für die Wunden und Qualen der Schlacht.
Am eifrigsten waren die Gallier. Sie machten sich nicht die Mühe, die Quersäcke der Legionäre durchzukramen, denn sie wußten, daß sie darin kaum etwas anderes finden würden als getrocknete Gerstenfladen, bronzene Rasiermesser, die vom langen Gebrauch schartig geworden waren, und ein paar Amulette. Sie suchten nach den Kommandeuren, die zum Zeichen ihres Ranges goldene Ringe an den Fingern trugen. Wenn Hannibal wissen wollte, wie viele römische Kommandeure in einer Schlacht ums Leben gekommen waren, brauchte er nur von den Galliern die Ringe zählen zu lassen, die sie gesammelt hatten.
Langsam schritten der Baleare Tirnes und seine Schleuderer über das Schlachtfeld, schwere Eichenknüppel auf den Schultern. Die Wertsachen der Toten ließen sie liegen - sie hatten Angst, daß ihnen diese Dinge Unglück bringen würden. Sie suchten nach Landsleuten, um sie nach dem Brauch ihrer Väter zu begraben. Aber bevor sie das taten, brachen sie dem Toten mit ihren Eichenknüppeln die Beine, um ihn zu hindern, ihnen nachts als Gespenst zu erscheinen. Außerdem beschwerten sie sein Grab
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