Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
Vom Netzwerk:
auf die Löcher im Zelt -„wollten die Gallier Hannibal warnen." 
    „Und was rätst du ihm?"
    „Es steht mir nicht zu, Hannibal Ratschläge zu erteilen, doch wenn ich an seiner Stelle wäre, würde ich nicht bis zum Frühjahr warten, sondern unverzüglich nach Rom abrücken."
    „Vielen Dank für den Rat, Dukarion", sagte der Rotblonde. „Ich habe deinen Verstand und deine Ergebenheit schon immer geschätzt." 
    „Du?" fragte Dukarion erstaunt. „Ich sehe dich zum erstenmal." 
    Der Rotblonde lächelte, riß sich mit einem Ruck die Perücke ab, und vor dem verblüfften Dukarion stand Hannibal.
    „Mach kein so erstauntes Gesicht", lachte er. „Ich weiß, daß du mein Freund bist. Wenn ein römischer Konsul ums Leben kommt, wählen die Römer einen neuen. Doch wenn mir etwas zustößt, löst sich das Heer auf. Magon ist noch zu jung, Hasdrubal ist in Iberien. Deshalb wird von nun an ein rotblonder Leibwächter im Zelt des karthagischen Feldherrn schlafen. Hast du verstanden?"
     
     
Hagelschlag
     
    Die waldbedeckten Höhen des Apennins wirkten wie der zottige Rücken eines sprungbereiten Raubtieres. Furchtlos zog das Heer ihm über die schmale, gewundene Straße entgegen. An der Spitze gingen die Elefanten, ihnen schlossen sich die afrikanischen, gallischen und iberischen Fußsoldaten an. Den Schluß der Kolonne bildete die Reiterei. Es war ein klarer Wintermorgen, und die Sonne schien auf die Helme der Krieger und auf ihre blankgeputzten Schilde, auf die numidischen Pferde und die Proviantfuhrwerke, die die Gallier Hannibal zur Verfügung gestellt hatten aus Erleichterung darüber, daß ihr Dauergast endlich aufgebrochen war.
    Hannibal hatte beschlossen, die Poebene zu verlassen, ohne das Frühjahr abzuwarten. Er wußte, daß sich die Römer von den ersten beiden empfindlichen Niederlagen noch nicht erholt hatten. Je schneller er ihnen die dritte zufügte, um so begründeter würde die Hoffnung auf einen endgültigen Sieg sein.
    Dukarion kannte den Apennin genau, und er hatte versichert, daß dem Heer dort keine Abgründe oder feindliche Überfälle drohten, im Gegensatz zu den Alpen. Daraufhin hatte sich Hannibal trotz der winterlichen Jahreszeit zum Weitermarsch entschlossen.
    Gegen Mittag schoben sich schwarze Wolken vor die Sonne. Von den Felsenhängen kam ein kalter Hauch. Mit Schnee vermischter Regen peitschte den Kriegern ins Gesicht, daß sie nach Atem rangen. Augenbrauen und Bart bereiften, die nassen Kleider vereisten. 
    Hannibal befahl, Zelte aufzuschlagen. Der Sturm riß sie ab. Wie gigantische Vögel klatschten sie mit den Schwingen ihrer Leinenbahnen. Kurz darauf fielen spitze Eisstückchen vom Himmel. Hannibal hatte schon früher von dieser seltsamen Naturerscheinung gehört, die man Hagel nennt, und jetzt spürte er sie auch am eigenen Körper. Die Hagelkörner prasselten auf Helme, Rücken und Knie der Krieger, die sich hastig die Schilde über den Kopf hielten und schutzsuchend zu überhängenden Felsen rannten.
    Nur die Balearer blieben mitten im Hagel stehen. Sie spähten unter der vorgehaltenen Hand zum Himmel. Viele nahmen sich sogar die Schnur vom Hals, als wollten sie ihre Kraft mit diesen unsichtbaren Himmels-schleuderern messen.
    „Lagerfeuer anzünden!" befahl Hannibal.
    Er wußte, daß schnelle Bewegungen jetzt die einzige Rettung für seine Krieger waren. Wenn er ihnen keine Arbeit gab, würden sie sich in Eiszapfen verwandeln. - Er schalt, befahl, drängte zur Eile. 
    Hastig fällten die Krieger mit den Schwertern Sträucher und junge Bäume, die an den Felshängen wuchsen; kurz darauf loderten die Feuer auf. So dicht wie möglich hockten sich die Krieger davor, aber der ätzende Rauch trieb ihnen die Tränen in die Augen, und bei jedem Windstoß wurden sie von einem Funkenregen überschüttet. Dazu zuckten Blitze, und das Echo warf die Donnerschläge mit dreifacher Lautstärke zurück.
    Der Sturm hörte so schnell auf, wie er gekommen war. Die Wolken zogen ab, die Sonne schien wieder auf die Straße.
    Erst jetzt erkannte Hannibal, welch einen entsetzlichen Verlust das Heer erlitten hatte. Aus Angst vor dem Hagel hatten die indischen Treiber ihre Elefanten sich selbst überlassen - diese aber waren davongerannt und abgestürzt.
    Nur Richad hatte Sur nicht im Stich gelassen. Er preßte das Gesicht gegen die rauhe Haut des gewaltigen Tieres. In diesem wilden, fremden Land kam er sich unendlich einsam vor. Was gingen ihn Hannibals Pläne an! Er hatte alles getan, was von ihm

Weitere Kostenlose Bücher