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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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mit Steinen - erst dann fühlten sie sich endgültig vor ihm sicher. 
    Hannibal stand auf einem Hügel, von wo er die Straße, die Bergkette im Norden, das Uferschilf und die spiegelglatte, graue Wasserfläche des Sees überblicken konnte. Eine Staubwolke näherte sich - Magarbais Reiter kehrten mit den Gefangenen zurück. Aus der Länge der Kolonne zu schließen, hatte Magarbal mindestens fünftausend Römer gefangengenommen. Ungeduldig spähte Hannibal nach Dukarion aus, der nach der Leiche des Konsuls Flaminius suchte. Er war neugierig, den Mann zu Gesicht zu bekommen, über den er in letzter Zeit soviel nachgedacht hatte.
    Am Fuße des Hügels hoben seine Krieger neben der Straße bereits ein Grab aus, in dem der Konsul zur letzten Ruhe gebettet werden sollte. Hannibal wollte ganz Italien kundtun, daß er seinen toten, tapferen Feinden ein ehrenvolles Begräbnis zuteil werden ließ. Als Hannibal Pferdegetrappel hörte, blickte er sich um. Es war Dukarion.
    „Wir haben das ganze Schlachtfeld abgesucht, Flaminius ist nirgendwo zu finden", meldete er hilflos.
    „Wo ist er denn geblieben?" forschte Hannibal verärgert. 
    „Das weiß ich nicht!" Der Gallier zuckte die Schultern. „Wenn ich ihn nicht mit eigener Hand getötet hätte, würde ich annehmen, daß er geflohen ist."
    Hannibal wandte sich mit finsterem Gesicht ab. Das Verschwinden des toten Flaminius war ihm im Grunde gleichgültig. Er ärgerte sich über etwas anderes. Er hatte angenommen, daß nun die Stadtväter der italischen Städte zu ihm kommen würden, um ihm ihre Unterstützung im Krieg gegen Rom anzubieten. Doch niemand stellte sich ein. Wußten die Italiker etwa noch nichts von den beiden Niederlagen der Römer, oder war ihre Angst vor den Römern noch immer so stark, daß sie erst eine dritte Niederlage abwarten wollten?
     
     
Der Diktator
     
    Auf dem Janiculus, einem der sieben Hügel Roms, flatterten die Fahnen. Der Prätor, der als höchster Staatsbeamter galt, wenn die beiden Konsuln nicht in Rom weilten, hatte die Bürger auf dem Marsfeld zusammengerufen. Dort versammelten sie sich nach altem Brauch in Zenturien, die aus je hundert bewaffneten Bürgern im Alter von siebzehn bis sechsundvierzig Jahren bestanden. Unter den vielen tausend Römern, die an diesem Tag aus allen Teilen der Stadt und allen umliegenden Dörfern zum Marsfeld gekommen waren, befand sich auch der junge Publius. Er trug wie alle anderen eine funkelnde Kupferrüstung. In der rechten Hand hielt er den runden Schild, am Gürtel hing das kurze Schwert. 
    Nach der Schlacht am Ticino war er mit dem Vater nach Rom zurückgekehrt. Der Vater war nun nicht mehr Konsul, sondern nur noch Senator. Als stolzer Patrizier, der Emporkömmlinge wie Flaminius verachtete, hatte er seinem Sohn verboten, unter dem Kommando eines Plebejers zu dienen.
    „Erst wenn das römische Heer wieder einen wirklichen Feldherrn erhält, werde ich dir erlauben, erneut die Waffen in die Hand zu nehmen!" hatte er gesagt.
    Publius fand, daß der Vater ungerecht gegenüber Flaminius war. Flaminius hat doch keine Schuld, daß seine Vorfahren Plebejer sind und in seinem Hause nicht ihre wächsernen Abbilder stehen! dachte er. Die Geschichte Roms kennt viele Beispiele für die hohen Tugenden von Niedriggeborenen. Zudem hat Flaminius durch seine Siege über die Gallier doch die höchste Würde erworben, die Rom zu vergeben hat, nämlich die Stellung eines Konsuls!
    Trotzdem stellte sich nur wenig später heraus, daß der Vater im Recht gewesen war. Flaminius hatte das römische Heer ins Verderben geführt -allerdings nicht wegen seiner niedrigen Herkunft, sondern wegen seiner Überheblichkeit.

    „Bürger!" Der Prätor hob ruhegebietend die Hand. „Es ist euch bekannt, daß unsere ruhmreichen Legionen schon wiederholt gegen Hannibal kämpften. Aber den Meldungen, die die Feldherren an den Senat sandten, ließ sich nicht immer entnehmen, wie die Schlachten ausliefen. Bis gestern glaubten wir noch, daß das römische Heer zwar keinen entscheidenden Sieg errungen, aber auch noch keine Niederlage erlitten hätte." 
    Publius errötete. Er begriff, was der Prätor meinte. Weder sein Vater noch Sempronius hatten dem Senat die Wahrheit über die Schlacht am Ticino gesagt.
    „Jetzt ist Konsul Flaminius tot", fuhr der Prätor fort. „Er kann dem Senat keine Meldung mehr machen. Aber auch wenn er noch lebte, würde es ihm nicht gelingen, den Untergang der Legionen vor dem römischen Volke zu verheimlichen.

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