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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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entfernt war, flößte er den Römern Entsetzen ein. 
    Und jetzt stand er vor den Toren!
    Hannibal betrachtete die große Stadt. Rom war sein Ziel gewesen, als er den Oberbefehl über das Heer übernahm. In den eisigen, schneeverwehten Schluchten der Alpen hatte er an Rom gedacht. Mit jedem Sieg rückte ihm Rom näher. Als er am Trasimenischen See die Legionen des Konsuls Flaminius vernichtet hatte, glaubten die Römer in ihrer Angst, nun würde er in ihre Stadt einziehen. Aber das konnte er nicht, weil seine Krieger zu jener Zeit allzu erschöpft gewesen waren. Dann warteten die Römer nach ihrer Niederlage bei Cannae jeden Augenblick auf sein Erscheinen. Zu diesem Zeitpunkt wäre er auch stark genug gewesen, um Rom zu überwältigen.
    Aber es genügte Hannibal nicht, Rom zu erobern und zu zerstören. Er träumte von mehr. Er glaubte, daß es ihm gelingen würde, alle italischen Stämme unter seiner Herrschaft zu vereinen, daß die Römer dann von selber die Waffen niederlegen würden und er Rom zur Hauptstadt seines Reiches machen könnte. Doch die Standhaftigkeit der Römer und die Angst, die sie auch in ihrer schwierigen Lage den Italikern einflößten, machten seine Pläne zunichte. Außer Capua ging keine einzige Stadt freiwillig zu ihm über.
    So blieb Hannibal nichts anderes übrig, als die Widerspenstigen durch viele Feldzüge und Belagerungen nacheinander zu zwingen, sich ihm zu unterwerfen. Bei einem dieser Feldzüge, der ihn quer durch Italien führte, machten sich römische Truppen seine Abwesenheit zunutze und begannen mit einer Belagerung von Capua.
    Hannibal kam der Stadt sogleich zu Hilfe. Er zwang die Römer, die Belagerung abzubrechen, war jedoch nicht imstande, sich lange in Capua aufzuhalten, weil ihm der Proviant für seine Truppen ausging. Nach seinem Abzug schlossen die Römer erneut einen eisernen Belagerungsring um Capua. Wieder kehrte Hannibal zurück. Diesmal versuchte er, die Römer in einer offenen Feldschlacht zu stellen. Die aber verschanzten sich in ihrem uneinnehmbaren Lager. Die Römer darin zu belagern, war Hannibal nicht imstande, weil sie vorher sämtliche Lebensmittelvorräte und alles Futter für die Pferde in der Umgebung von Capua vernichtet hatten. Deshalb beschloß er, gegen Rom zu ziehen in der Hoffnung, die römische Armee würde die Belagerung Capuas abbrechen, um ihre Vaterstadt zu retten.
    In Eilmärschen war er nach Rom gezogen. Nun stand er vor den Toren und betrachtete die Stadt. Sie sah ganz anders aus, als er sie sich vorgestellt hatte. Da er die Ordnungsliebe der Römer und ihre strenge Disziplin kannte, hatte er geglaubt, ein großes Feldlager zu erblicken - schnurgerade Straßen, quadratische Stadtviertel. Doch statt dessen nahm er schmale krumme Gassen wahr, ein- und zweigeschossige Häuser, die inmitten grüner Gärten lagen und mit Brettern oder Ziegeln gedeckt waren. Kein römischer Tempel konnte sich mit den karthagischen Tempeln der Tanit und des Baal-Ammon messen, was Größe und Pracht betraf. Auch mit dem reichen, schönen Capua ließ sich Rom nicht vergleichen. Und diese Stadt hatte er zur Hauptstadt seines Reiches machen wollen?
    Ein Melder sprengte herbei.
    „Herr!" rief er. „Die Römer geben die Belagerung Capuas nicht auf!"
    Hannibal war ungeduldig. Hatte Cannae den Römern nicht bewiesen, daß sie außerstande waren, zu siegen? Jede andere Stadt hätte schon längst die Waffen gestreckt und um Gnade gebeten, doch Rom setzte den Kampf fort, verschanzte sich hinter Mauern, Gräben und Pfahlzäunen und führte von dort aus seine Schläge.
    Hannibal stand der Form der Kriegführung, die ihm von Rom aufgezwungen wurde, ohnmächtig gegenüber. Er war an offene Feldschlachten gewohnt, doch Rom zwang ihn zum Warten. Die Zeit war nun sein schlimmster Feind. Sie nahm ihm die Verbündeten, leerte seine Kassen, verdarb seine Krieger.
    Zwei Tage später zog Hannibals Heer nach Süden, nachdem es Roms Umgebung geplündert und verheert hatte. Den Römern erschien sein Abzug wie ein Wunder - wie ein Alptraum, den das Morgenlicht verscheucht. Sie verließen die Stadt und wanderten zum zweiten Meilenstein der Appischen Straße, dorthin, wo Hannibal gestanden hatte. Dieser Ort wurde für heilig erklärt, und inmitten der dort befindlichen weißen Marmorgrabsteine wurden Altäre für die Götter errichtet, die Rom beschützt hatten.
    Hannibals mißlungener Angriff auf Rom öffnete den römischen Truppen die Tore der wehrlosen Stadt Capua. Roms Rache war

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