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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Nemirowski
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Öl zum halben Preis verkaufte. Die Hausfrauen strömten mit ihren Ölgefäßen zu Kylons Stand. Zwischen ihnen drängten sich viele Neugierige, die ihren Spaß an Kylons witzigen Reden hatten. Denn während das Öl in schier endlosem Strom durch den Trichter floß, ergoß sich ebenso endlos sein Redeschwall.
    „Tritt näher, Verehrter, tritt näher!" lockte er einen betagten karthagischen Krieger an. „Salbe dich mit meinem Öl, das wird dich verjüngen! O Bezwinger von Rom, geh nicht an meinem Stand vorüber. - Benutze das Öl zur Förderung der Verdauung, schöne Frau!" riet er einer älteren Person, die sich gerade ihr Ölgefäß von ihm füllen ließ. „Das klärt die Haut und wird deinen Mann zu neuer Liebesglut anregen." 
    Die Zuschauer lachten.
    „Fehlgeschossen!" rief einer. „Ihr Mann ist im Heer, sie hat andere Sorgen als ihre Schönheit!"
    Schon verkaufte Kylon den Inhalt des siebenundneunzigsten Kruges und hatte bereits durch geschickte Fragen aus seinen Zuhörern alle Informationen herausgeholt, die Publius brauchte: daß sich Hasdrubal mit seinem Heer nicht in Neu-Karthago aufhielt, sondern in der Nähe von Cädiz, daß auch die beiden anderen karthagischen Heere nicht in der Stadt waren und Hasdrubal nur etwa eintausend Krieger zurückgelassen hatte. 
    Plötzlich drängte sich ein rundlicher Mann, an seiner Kleidung als Schiffskapitän zu erkennen, durch die Menge und blickte Kylon prüfend an. „He, Freund, wo habe ich dich schon gesehen?" fragte er. 
    Kylon blickte auf. Ja, er kannte den Dicken, aber er ließ sich nichts anmerken.
    „Vielleicht in Marseille, edler Seefahrer?" fragte er gelassen zurück. 
    „Dort ist mein Marktstand weltberühmt." 
    „Rede mir nichts ein, ich war niemals in Marseille." 
    „Ein kluger Mann kann sich nun einmal irren", erwiderte Kylon hintergründig. „Aber ich schwöre bei Herakles, daß du dich nicht irrst, wenn du mein Öl kaufst, denn nirgendwo auf der Welt gibt es ein billigeres und besseres."
    „Ich brauche dein Öl nicht." Der Kapitän trat dicht vor Kylon hin. 
    „War es nicht dein Handelsschiff, das ich vor den Aegatischen Inseln kontrollierte? Damals gabst du dich als Neapolitaner und Weinhändler aus und schenktest mir einen Krug, der statt Falernerwein fauliges Wasser enthielt."
    Kylon begriff, daß der Dicke ihn erkannt hatte. Er mußte fliehen, und zwar sofort. Aber wohin? Vor ihm befand sich die unübersteigbare Stadtmauer, rechter Hand war der Hafen, wo sein Schiff vor Anker lag. Doch jede Flucht dorthin würde sinnlos sein, denn selbst dann, wenn er das Schiff wohlbehalten erreichte und es fertigbrächte, den Hafen zu verlassen, würden ihn die schnellen karthagischen Wachboote im Handumdrehen einholen. Es blieb also nur der Sprung in das Meer, das er im Rücken hatte, und die Hoffnung, das gegenüberliegende Ufer, das ungefähr zwei Meilen weit entfernt war, schwimmend zu erreichen. 

    Er holte mit dem Ölkrug aus, den er noch immer in der Hand hielt, und schüttete dem dicken Kapitän den ganzen Inhalt ins Gesicht. Der taumelte zurück, rutschte auf dem Öl aus und fiel hin. 
    „Haltet ihn!" schrie er. „Es ist ein römischer Spion!" 
    Kylon war schon am Wasser, machte einen Kopfsprung und tauchte erst zehn Schritte vom Ufer entfernt wieder auf. Als er sich umblickte, sah er, daß sechs Männer ans Ufer rannten, unter ihnen der dicke Kapitän. 
    Kylon schwamm, so schnell er konnte. Das Blut klopfte ihm in den Schläfen, keuchend rang er nach Luft, die Sandalen störten ihn, er riß sie sich ab. Die Verfolger hatten inzwischen ein Boot losgemacht und ruderten ihm nach. Der Abstand zu ihnen verringerte sich zusehends. Schon hörte er die Ruder plätschern und den Kapitän brüllen: „Uns entgehst du nicht!"
    Er reckte den Kopf aus dem Wasser, um noch einmal den klaren Himmel zu betrachten. Mögen mich die Fische fressen! dachte er. Das ist noch besser als Folterung und Kreuzigung!
    Da merkte er, daß er in eine Brandung geriet, obgleich er sich noch mitten im Meerbusen befand. Er tastete mit den Füßen und stieß auf Grund. Das Wasser wurde immer seichter, reichte ihm nur noch bis zu den Knien, er sprang auf die Füße und rannte quer über die Sandbank hinweg. Das Boot blieb hinter ihm zurück. Es hatte sich mit der Nase tief in den Sand gebohrt, die sechs Verfolger bemühten sich fluchend, es über die Sandbank hinwegzuzerren, aber ihre Anstrengungen waren vergebens. Kylon war inzwischen auf der anderen Seite schon längst

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