Die Elefanten Hannibals
Flüsse. Sie hatten sich daran gewöhnt, daß ein Scipio in Iberien siegte, daß ein Scipio Städte eroberte und feindliche Feldzeichen nach Rom schickte. Und wenn es in Iberien keinen Scipio mehr gab, so glaubte Rom, dann würde man von dort auch keine guten Nachrichten mehr erhalten.
So hatte der junge Publius nun die Aufgabe, gegen Hasdrubal zu kämpfen, der Iberien besser kannte, weil er fast sein ganzes Leben hier verbracht hatte, und gleichzeitig mit dem Ruhm des Vaters zu wetteifern, ja ihn zu übertreffen.
Als erstes ließ er Kylon zu sich kommen in einer Hoffnung, die aber leicht wie eine Seifenblase platzen konnte. Der Grieche hatte sich in den vergangenen Jahren nicht verändert. Er war noch immer so redselig und habgierig wie zuvor.
„Nanu, Publius Scipio, wozu brauchst du meinen elenden Kahn, obgleich doch dreißig große seetüchtige Schiffe in deinem Hafen liegen, wie ich mit eigenen Augen gesehen habe? Hast du etwa Sehnsucht nach einem neuen Stelldichein mit Syphax?"
„Nein, Kylon, für eine Reise nach Afrika ist es noch zu früh. Und mit Syphax habe ich auch nichts zu besprechen, zumal er einen neuen Vertrag mit den Karthagern geschlossen hat und sich anschickt, Hannos Tochter zu heiraten. Ich habe ein wichtiges Anliegen an dich. Würdest du für mich nach Neu-Karthago fahren?"
„Daß mir die Augen platzen! Du willst mich in die Höhle des Zyklopen schicken? Dieses Abenteuer des Odysseus gefällt mir aber gar nicht. Du erinnerst dich sicher, daß Odysseus und seine Gefährten von dem Zyklopen, diesem einäugigen Riesen und Menschenfresser, mitsamt den Schafen in der Höhle eingesperrt wurden und nacheinander bei lebendigem Leibe aufgefressen werden sollten. Sie konnten diesem Schicksal nur entrinnen, indem sie ihm sein einziges Auge blendeten und sich dann den ins Freie trottenden Schafen unter den Bauch banden. Der Zyklop hockte nämlich am Ausgang und betastete den Rücken jedes hinausgehenden Tieres, um zu verhindern, daß Odysseus und seine Männer die Flucht ergriffen. - Nein, Feldherr, wenn ich überhaupt ein Abenteuer des Odysseus erleben muß, dann lieber das mit der wunderschönen Zauberin Circe, obgleich auch dabei die Gefahr besteht, daß sie mich in ein Schwein verwandelt, genau wie seinerzeit die Gefährten des Odysseus."
„Du bist wahrhaftig nicht auf den Mund gefallen, Kylon. Aber zur Circe kannst du wohl nach deiner Rückkehr aus Neu-Karthago auf eigene Rechnung reisen."
„Und was sucht Rom in der Höhle des Zyklopen?"
„Du sollst feststellen, ob der Zyklop zu Hause ist, und wenn nicht, wie viele Schafe er in seiner Höhle zurückgelassen hat."
„Aha, ich verstehe!" Kylon lachte. „Du willst wissen, ob Hasdrubal in Neu-Karthago ist, und wenn nicht, wie viele Truppen er dort stationiert hat. Und was geschieht, wenn die Karthager mich festnehmen und ums Leben bringen?"
„Odysseus hatte größere Gefahren zu bestehen, trotzdem ist er zu seiner heimatlichen Insel Ithaka zurückgekehrt."
„Ja, aber bettelarm!" wandte Kylon ein.
„In dieser Beziehung kannst du unbesorgt sein. Dich erwartet eine Belohnung, zehnmal größer als jene, die du beim vorigen Mal erhieltest."
„Gut, einverstanden. Aber du mußt mir außer dem Geld noch hundert Krüge mit Öl geben."
„Was willst du mit soviel Öl? Das kannst du doch in deinem ganzen Leben weder aufessen noch als Brennöl verbrauchen! Oder hast du die Absicht, ein Schnelläufer zu werden, und willst dich mit dem Öl salben?"
„Nein, ich will dein Öl weder essen noch verbrennen. Und was den Schnelläufer betrifft, so kann ich dir versichern, daß mich Silbermünzen mehr reizen als der Siegeslorbeer eines Sportlers. Ich will das Öl verkaufen. Paß mal auf!"
Er schob sich das dünne Haar in die Stirn und machte das einschmeichelnde Gesicht eines geschäftstüchtigen Markthändlers.
„Frisches Öl! Das beste Öl am Platze! Brennt, ohne zu qualmen! Kauf mein Öl, du Schöne! Geh nicht vorüber!"
„Ein waschechter Markthändler!" Publius lachte.
„Salbst du dich mit meinem Öl, dann wirst du jünger!" krähte Kylon. Dann wurde er sachlich: „Erwarte mich in einer Woche zurück. Falls ich aber ausbleiben sollte, dann vergiß nicht, meinen Landsleuten für den mir versprochenen Lohn Wein zu kaufen. Die eine Hälfte sollen sie austrinken und die andere den Göttern weihen."
Mit Windeseile verbreitete sich in Neu-Karthago die Nachricht, daß ein Händler auf dem Marktplatz eingetroffen wäre, der sein
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