Die Elementare von Calderon
schießen, wann immer ich mich vorwage!«
»Du hast keinen Helm«, meinte Bernard. »Ich würde auch auf dich schießen.«
»Das tröstet mich, danke«, erwiderte Amara trocken, und der Wehrhöfer grinste sie an, ehe er sich abermals erhob, einen Pfeil in die Menge unten schoss und sofort wieder Deckung suchte.
Amara wollte einen weiteren Blick riskieren, doch Bernard packte sie am Handgelenk. »Nicht«, sagte er. »Die werden da unten jetzt geschmort. Halt den Kopf unten.«
»Wieso?«
Zur Antwort deutete er mit dem Kopf auf Pirellus. Amara wandte sich zu dem Ritter um, der auf zwei Männer zeigte, die an schweren Keramikgefäßen standen. Hinter ihnen warteten drei Ritter in Rüstung, die jedoch keine Waffen trugen.
»Feuertiegel?«, fragte Amara, und Bernard nickte. Sie schaute zu, wie Pirellus das Zeichen gab, indem er das Schwert hob und wieder nach unten zog.
Die beiden Männer mit den Feuertiegeln - sicherlich Erdwirker, denn nur ein solcher konnte die mannsgroßen Gefäße mit Kohle so mühelos tragen - schleppten die riesigen Tiegel zur Mauer und hievten sie hinüber, wo sie unten zu beiden Seiten des Tores auf die Marat niedergingen.
Nun gab Pirellus den drei Männern hinter ihnen das Signal,
und die Ritter blickten zum Himmel, reckten die Arme nach oben und riefen etwas über das Geschrei und den Lärm der Schlacht hinweg.
Das Feuer antwortete mit einem Tosen, bei dem Amaras Zähne zu klappern begannen, und sie fürchtete, taub zu werden. Hitze wallte nach oben, greller roter Flammenschein leuchtete auf und bildete einen mörderischen Kontrast zu dem kühlen blauen Elementarlicht, und in dem Wind, der heraufbrauste, stellten sich Amara die Nackenhaare auf. Eine Feuersäule in Form einer riesigen, geflügelten Schlange stieg über den Verteidigungsanlagen in die Höhe, fiel wieder in sich zusammen und krachte auf den Boden.
Glücklicherweise behüteten sie die Zinnen davor, mit ansehen zu müssen, was mit den Marat geschah, die dieser Sturm aus lebenden Flammen erfasste, doch nachdem das Tosen des Feuers nachgelassen hatte, hörte sie Schreie von Menschen und Wölfen, schrilles, atemloses Kreischen, erfüllt von Schmerz und Schrecken. Diese Schreie drückten Wahnsinn aus, Enttäuschung, Vergeblichkeit, Entsetzen. Solche Laute waren ihr nie zuvor zu Ohren gekommen, und noch etwas ging ihr durch Mark und Bein: dieses sichere Wissen um die Unabwendbarkeit des eigenen Todes, eines Todes, der allein die Erlösung von dem Leid bringen konnte, welches diese Flammen angerichtet hatten.
In diesen Augenblicken danach lag der Geruch von verbranntem Fleisch in der Luft. Amara schauderte, ihr wurde übel.
Stille breitete sich aus, die nur von Schreien unterbrochen wurde. Amara stand auf und schaute nach unten. Die Feuerschlange hatte den Angriff der Marat ins Stocken gebracht und die heulenden Krieger in die Flucht geschlagen. Auf einen Befehl von Pirellus hin traten die Bogenschützen vor und schickten den davonrennenden Barbaren mit tödlicher Genauigkeit Pfeile hinterher, die weitere Opfer forderten.
In dem Bereich gleich vor der Mauer konnte sie nicht viel erkennen,
wofür sie dankbar war. Der Gestank von verbranntem Haar und Fleisch verursachte ihr weiter Übelkeit, bis sie Cirrus bat, ihn aus ihrer Nase und ihrem Mund fernzuhalten. Sie lehnte sich an die Brüstung und starrte auf die blutgetränkte, versengte Erde, die von Leichen mit hellen Haaren übersät war.
»Bei den Elementaren«, entfuhr es ihr. »Die sind ja fast noch Kinder.«
Bernard kam zu ihr. Sein Gesicht war blass und grimmig, seine Augen lagen unter dem Helm in tiefen Schatten. »Junge Krieger«, erklärte Bernard. »Ihre erste Gelegenheit, sich in der Schlacht zu beweisen. Das war der Wolfclan. Die anderen werden folgen.«
Amara blickte ihn an. »Die schicken ihre jüngsten Krieger nach vorn?«
»Ja. Wenn sie überleben, dürfen sie mit den Erwachsenen in den Hauptkampf ziehen.«
Sie sah wieder auf das Schlachtfeld. »Das ist nur ein Vorspiel für sie, die Sache ist noch nicht ausgestanden?«
»Nicht, bis wir ihren Anführer haben«, meinte Bernard. »Trink einen Schluck Wasser. Du weißt nicht, wie sehr du es noch brauchen wirst. Beim nächsten Mal wird es nicht so leicht.«
Tatsächlich kam gerade ein Legionare vorbei mit einem Eimer, an dem mehrere Zinnbecher mit Bändern durch die Henkel hingen. Der Soldat gab an alle Wasser aus. Weitere Legionares , jüngere aus der Reserve im Hof unten, stiegen herauf und halfen dabei, die
Weitere Kostenlose Bücher