Die Elfen 03 - Die Stunde der Elfen
wandten nicht einmal den Kopf, um sie anzuschauen. Es waren abscheuliche Kreaturen, widerwärtig anzusehen, krumm wie Greise, mit fahlgrauer Haut und tief in ihre Höhlen zurückgesunkenen Augen. Ihre Magerkeit war Grauen erregend, doch sie trugen Waffen, die keiner von ihnen zu heben vermocht hätte, nicht einmal Frehir.
»Das sind die Fir Bolg«, raunte die Königin. »Die alte Rasse, die von den Tuatha De Danann besiegt worden ist. Sie waren schon vor den anderen Stämmen da, sogar noch vor den Dämonen. Sie sind Sklavenkrieger und handeln nur auf Befehl. Von ihnen haben wir nichts zu befürchten ...«
Es sei denn, Der-der-keinen-Namen-haben-darf gebietet ihnen, uns zu töten, dachte sie bei sich. Sie waren überall, zu Dutzenden, und glichen in ihren langen schwarzen Mänteln schauerlichen Statuen, zu denen selbst die goblinischen Wachen respektvollen Abstand hielten. Eine Weile lang rückten die zehn Gefährten in dieser Weise vor, umgeben von der Grabesstille in diesem Geisterpalast; dann zeigte Tarot ihnen am Ende eines verwüsteten Korridors eine verschlossene Türe.
»Der Herr und Meister befindet sich dort«, sagte er mit erstickter Stimme. »Hinter dieser Türe ...«
Lliane lief weiter, prallte aber gegen den Gnom, der zur Salzsäule erstarrt schien.
»Man ... Man darf dort nicht hinein«, stammelte er. »Der Herr und Meister darf nicht gestört werden ...«
Das kleine Wesen wurde von krampfartigen Zuckungen gebeutelt. Über sein aufgedunsenes, erdfahles Gesicht rannen Schweißbäche und Tränen. Er war nicht mehr im Stande weiterzugehen. Lliane sah ihre Gefährten an und las die verheerende Angst in ihren kreidebleichen Gesichtern. Ihre Herzen begannen zu flattern. Das maßlose Entsetzen ließ ihre Willenskraft dahinschmelzen und vernichtete ihre letzten seelischen Reserven. Bald schon würde die Lanze ihre heimtückische Macht in ihnen entfalten.
Lliane schob den Gnom beiseite und schlüpfte zwischen ihm und Ulfin, der an der Spitze marschierte, hindurch, um anschließend bis zur Tür vorzugehen. Ihre Begleiter rührten sich nicht.
Mit weit aufgerissenen Augen betrachteten sie ihre schlanke, nackte Gestalt, das Wogen ihres langen schwarzen Haares, die spielerische Geschmeidigkeit ihres Körpers, der vom Schneeregen glänzte wie eine Rüstung. Sie blieb vor der Schwelle stehen, stützte die Hände an die Türflügel und lehnte ihre Stirn gegen die eisenbeschlagenen Bohlen. Ihre Beine zitterten, ihre Kehle war wie zugeschnürt, und ihr Herz schlug so heftig, dass sie ins Wanken geriet. Nun erfasste auch sie die Angst. Indem sie ganz fest die Augen zusammenkniff, schaffte sie es, sich Rhiannons Gesicht auf der Feeninsel vorzustellen.
Das kleine Mädchen stand von einem Lichtkreis umgeben im lauen Dunkel der Nacht. Sie hatte sich einen Blätterkranz geflochten und Blumen an den Gürtel gesteckt; das kleine Volk wachte über sie ...
Ruckartig riss sich Lliane von der Türe los und öffnete beide Flügel.
Keine Sekunde später schlug ihr ein Schwall stickiger, heißer Luft ins Gesicht. Der riesige Raum war von dem flackernden rötlichen Schein zweier gigantischer Kohlenbecken erfüllt. Winzige, schemenhafte Gestalten zeichneten sich in diesem orangefarbenen Halbdämmer ab; geheimnisvolle, undefinierbare Schattenwesen, die zu Dutzenden rund um den von zwei garstigen Riesen bewachten Thron versammelt waren.
»Ich habe dich schon erwartet«, zischelte eine kalte, hinterhältige Stimme.
Sie trat näher, inzwischen weinend und mit derart zugeschnürter Kehle, dass sie nach Luft schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Komm zu mir, Lliane ... Komm ruhig ganz bis zu mir heran ...«
Die schmalen Gestalten wichen vor ihr zur Seite. Ihre tränenverschleierten Augen vermochten nur noch einen purpurn schimmernden Lichtschein und die dunkle Nische zwischen den Kohlenbecken zu erkennen, in der der Herr und Meister sie erwartete.
»Du bist nackt, das ist gut... Das Begehren ist eine Kraft, die ich zu nutzen wissen werde. Deine Schönheit wird uns noch wertvolle Dienste erweisen. Komm und bring sie mir dar ...«
Ein gleißendes Licht zerriss auf einmal den Dunstschleier, der sie umgab. Funkelnd wie ein Sonnenstrahl hatte das Eisen der Lanze in den Händen Dessen-der-keinen-Namen-habendarf zu leuchten begonnen und warf einen mörderisch hellen Glanz auf sie. Sie fiel auf die Knie, geblendet und bezwungen. Als sich ihre Augen schließlich an das Licht gewöhnt hatten, entdeckte sie plötzlich die
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