Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Der Lutin kämpfte gegen die Übelkeit an, die ihn bei dem Anblick überkam. Hatte der Sturm mit besonderer Macht Madras Gesicht angegriffen? So, wie er mit einem Fangarm den Elfen verschlungen hatte? Ohne Zweifel waren die Verletzungen im Gesicht besonders schwer.
»Du musst sie hochheben. Vorsichtig. So wie du die Kinder hochgehoben hast. Sie wirkt einen Zauber, der uns alle am Leben erhält. Mir scheint, sie ist nicht ganz bei sich. Der Zauber darf nicht gestört werden. Hast du das verstanden.«
Statt zu antworten, ging Madra in die Knie. Ganz langsam streckte er einen Arm vor. Er zeigte grob in Nikodemus' Richtung.
»Du sollst die Hand nehmen und ihn führen«, sagte Dobon. Zum ersten Mal klang Panik in seiner Stimme. »Wir könnten auch alle gemeinsam versuchen, sie hochzuheben.«
Von der Vorstellung, dass Dutzende Koboldhände nach ihr griffen, um Emerelle schwankend in die Höhe zu heben, hielt Nikodemus gar nichts. Er vermied es, noch einmal hinaufzusehen. Er ahnte, was Dobon in Angst versetzte.
Vorsichtig nahm er die Hand seines Freundes. Der Troll zuckte bei der leichtesten Berührung zusammen, gab aber keinen Schmerzenslaut von sich. Nikodemus führte Madras Hand zur Hüfte der Elfe. Madras zweite Hand fand allein ihren Weg. »Du musst sie ganz sacht hochheben!« Der Geruch nach verbranntem Fleisch wurde immer durchdringender. Das gleißende Licht verhinderte, dass man Emerelles Finger deutlich sah. Aber sie wirkten dünner.
Der Troll stieß einen grunzenden Laut aus, als er die Elfe anhob. Madra bewegte sich unbeholfen. Er drehte sich. Nikodemus achtete darauf, dass er in seinen Spuren ging. Er hoffte, dass der Troll geradeaus gegangen war und nicht orientierungslos durch den Sturm getappt war. Ihm war bewusst, dass das wohl zu viel der Hoffnung war. Was konnte man von jemandem erwarten, der geblendet und vor Schmerz wahrscheinlich halb wahnsinnig war?
»Die Höhle liegt etwas weiter links«, sagte Dobon. Er hatte sein Volk dicht u Emerelle geschart.
»Du bist dir sicher?«
»Ich habe mein ganzes Leben in der Wüste verbracht. Hier die Richtung zu verlieren, bedeutet das Ende. Vertraue mir.«
Das sagte der Anführer eines ganzen Stammes von Lügnern! Aber hatte er eine Wahl? Nikodemus war sich nicht ganz sicher, aber auch der Schutzkreis, den der Zauber der Elfe dem Sturm abtrotzte, schien enger geworden zu sein. »Wenn du dich irrst, sind wir tot.«
»Wenn wir nicht losgehen, weil wir über den Weg streiten, sind wir noch sicherer tot!« Dem ließ sich nichts entgegensetzen. Nikodemus stellte sich neben Madra. Mit leichtem Druck gegen dessen Schenkel brachte er den Troll dazu, die Richtung zu ändern. Überall im Sand war dessen Blut. Seine eigenen Hände waren ganz klebrig vom Blut. Madra schwankte leicht. »Geh! Halt bitte durch!« Wieder drückte er ihm auf den Schenkel. Er sah, wie seine Berührung Blut aus dem rohen Muskel presste. Der Troll ging sehr langsam. Seine geschundenen Füße hoben sich kaum vom Boden. Behutsam führte Nikodemus ihn um Felsstücke herum, die aus dem Sand ragten. Und Dobon achtete darauf, dass sie dabei nicht die Richtung verloren.
Die Elfe hielt sich ganz steif. Man hätte meinen können, dass der Troll eine lehmverschmierte Statue trug. Die blassblauen Flammen, die um ihre Finger spielten, verloschen nicht mehr. Nikodemus fragte sich, wie man die Willenskraft aufbringen konnte, einen glühenden Stein festzuhalten. Vielleicht war das Fleisch ihrer Hände miteinander verschmolzen, und sie konnte gar nicht mehr loslassen?
Quälend langsam kam sie voran. Der Lutin hatte das Gefühl, dass der Sturm immer heftiger gegen den magischen Schutzwall anstürmte. Das wütende Gebrüll war lauter geworden. Und immer häufiger zeigten sich die silbernen Schlieren, die ihm schon zu Anfang aufgefallen waren. Plötzlich stieß jemand hinter ihm einen aufgeregten Ruf aus. Dobon packte ihn bei der Schulter. »Warte!«
»Uns läuft die Zeit davon!« Wütend blickte Nikodemus zurück. Die Grauhäute gruben mit den Händen im Sand. Zwei Stiefel erschienen. Ein Bein in einer weiten Hose. Falrach! Die Magie, die seine Kleider vor Schmutz bewahrte, schien auch dem schmirgelnden Sand getrotzt zu haben. So ein verdammter Glückpilz, dachte Nikodemus. Er hätte schon bei der Schlacht am Mordstein verrecken sollen. Der Lutin erinnerte sich noch gut, wie schwer verletzt der Elf gewesen war.
Als sie Falrachs Hände und Gesicht freilegten, änderte er seine Meinung. Der Elf war doch kein
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