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Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin

Titel: Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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geformt hatten. Nur zehn Zoll maß die Brücke an ihrer engsten Stelle. Wer dort stand, über sich das unermessliche Blau des Firmaments und unter sich zweihundert Schritt bis zum Boden, der hatte das Gefühl, mitten im Himmel zu stehen. Die Schlucht verengte sich an dieser Stelle. Dadurch wurde der Wind verstärkt. Er zerrte mit tausend unsichtbaren Händen an jedem, der es wagte, seinen Fuß auf den Basalt zu setzen. Ihre Mutter Nandalee hatte erzählt, der Weg über die Brücke sei eine der Prüfungen der Drachenelfen gewesen. Manch mutiger Krieger scheiterte hier. Diese Brücke war weit schlimmer als die breitere Shalyn Falah.
    Ein Stück entfernt konnte man die Reste einer Basaltbrücke erkennen, die in die Schlucht gestürzt war. Ein Anblick, der die Zweifel über die verbliebene Brücke noch vertiefte.
    Jenseits der Brücke lag das Sonnentor. Es war aus weißem Felsgestein, in das der Wind ein weites, rundes Loch gefressen hatte. Auch das umliegende Gestein war korrodiert, so dass man einen riesigen Ring vor sich sah. An sieben Abenden im Jahr füllte die untergehende Sonne den inneren Kreis. Der merkwürdige Fels war eine Laune der Natur, und doch war es ein tiefes, mystisches Erlebnis, die Sonne gefangen in einem Steinring zu sehen. Wer bis dorthin gelangte, der hatte es geschafft, der hatte sich die Anwartschaft darauf erworben, ein Krieger der Drachen zu werden.
    Emerelle blickte hinab ins Tal. Natürlich waren die Knochen der Gescheiterten längst vergangen. Die Himmelsbrücke und das Sonnentor waren Relikte eines vergangenen Zeitalters. Es gab keine Drachen mehr, und auch ihre Ritter waren längst nur noch der Stoff von alten Geschichten, die so fantastisch klangen, dass viele argwöhnten, sie seien von Dichtern und Aufschneidern ersonnen.
    Emerelle ging an den Grauhäuten vorbei bis zur Brücke. »Das hier ist der Weg. Wer die Brücke überschreitet, der ist frei von mir. Jenseits des Sonnentors erwartet euch ein Tal, in dem ihr alles, was ihr zum Leben braucht, im Überfluss finden werdet.« »Herrin, wir sind nicht so schwer wie du. Uns wird der Wind in den Abgrund zerren.« Dobon, der Sprecher, stand inmitten der Zögernden. Emerelle war sich fast sicher, in seiner Stimme die Stimme des Nörglers wiederzuerkennen, der geraten hatte, sie ihrem Schicksal zu überlassen, als sie wehrlos in der Höhle gelegen hatte. Ihre Erinnerung an das Gespräch war nur undeutlich. Letzte Gewissheit würde sie nie haben. Aber Dobon war der Anführer der Grauhäute. Er musste es gewesen sein! Wer sonst hätte den Mut und die Unverfrorenheit gehabt, einen solchen Vorschlag zu machen? Bei dem Gedanken an das Gespräch überkam sie heiße Wut. »Ich werde die Brücke überqueren. Was ihr tut, ist nun eure Angelegenheit.« Sie deutete hinab in das Tal. »Dorthin zu gehen, ist keine Lösung. Ein paar Wochen, und ihr habt alles Wild erlegt und jeden Busch und jede Palme kahlgefressen. Dann müsst ihr erneut hierherkommen. Ihr seid nun eurem Schicksal überlassen. Erinnert dich das an etwas, Dobon?« Der alte Kobold mit der gebrochenen, unförmigen Nase trat dicht vor sie. »Du hast uns also reden gehört, Herrin. Und nun willst du Rache? Bedenke, dass nur noch ich und meine Tochter übrig sind. Den, der dir helfen wollte, hast du schon gemordet. Mein Volk ist nicht schuldig. Sie wissen nicht, was gesprochen wurde. Sind mein Leben und das meiner Tochter der Preis? Wirst du meinem Volk dann helfen?«
    »Nimm deine Tochter bei der Hand. Geh mit ihr über die Brücke. Zeig mir, wie viel Mut du jetzt noch hast.«
    »Du bist grausam, Herrin. Hattest du je ein Kind? Kannst du ermessen, was es heißt, es bei der Hand zu nehmen und mit ihm in den Tod zu gehen?«
    »Du, der du mich hilflos meinem Schicksal überlassen wolltest, wagst es, von Grausamkeit zu sprechen?«
    Der alte Kobold wich vor ihrem Zorn nicht zurück. Er sah sie fest an. »Ich wollte dich töten, um mein Volk vor deiner Willkür zu schützen. Nenne das grausam, wenn du willst. Aber sage mir, welchen Nutzen hat deine Grausamkeit jetzt? Wen beschützt du?«
    Sie öffnete den Mund, schloss ihn aber wieder, ohne etwas gesagt zu haben. Noroelle, das war ihr einziger Gedanke. Die Elfenmagierin war einst ihre Freundin und Vertraute gewesen. Auch zu ihr war sie grausam gewesen. Und davor hatte es so viele andere gegeben. All die Verbannten. Alle, die an ihrem Willen zerbrochen waren, bis hin zu ihrem Bruder.
    Sie atmete schwer aus. Sie hatte nichts ohne Grund getan. Noroelle

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