Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
hatte ein Dämonenkind geboren und es versteckt, selbst nachdem sie wusste, dass es die Kraft haben könnte, Albenmark zu zerstören. Sie hatte ihre Strafe verdient! Genau wie alle anderen auch. Sie war die Herrscherin Albenmarks gewesen. Es war die Pflicht von Herrschern zu strafen, wo es notwendig war!
Oder war das nur eine Ausrede? Hatte sie wirklich einen Hang zur Grausamkeit? Jetzt war sie nicht mehr die Herrin Albenmarks. Stand es ihr zu, über die Grauhäute zu richten? Sie begriff, dass sie zwar ihre Krone abgelegt hatte, nicht aber ihren Willen zu herrschen. Es war ihr Leben gewesen, so unendlich lange … Konnte sie ein anderes Leben führen?
Ihr Blick suchte Falrach. Er sah sie vorwurfsvoll an. Ollowain hätte sich schützend vor die Grauhäute gestellt. Doch der weiße Ritter war tot. Vergangen für immer. Er konnte nicht zurückkehren, so wie Falrach nach all den Jahrtausenden. Von Ollowain war nichts geblieben als sein Leib.
Trauer schnürte ihr die Kehle zu. Jetzt erst begriff sie, wie sehr sie den weißen Ritter gebraucht hatte. Oft hatte er ihr die Gnade abgetrotzt, die ihrem verhärteten Herzen fehlte. Ollowain konnte nur fortleben, wenn sie es schaffte, seinen Großmut in ihr Herz zu lassen. Er musste in ihr leben. In ihren Taten. Das war alles, was noch von ihm geblieben war.
Diese schwarze Brücke, inmitten weißer Felsen, war ihr Scheideweg in ein anderes Leben. Sie war noch immer die Gefangene ihrer Krone und dessen, was ihre unendlich lange Herrschaft aus ihr hatte werden lassen. Es war an ihr, dies abzulegen. Dobon stand vor ihr. Aber jetzt war das Koboldmädchen an seiner Seite, das sie mit Lehm eingerieben und auf das Ritual der Traumfänger vorbereitet hatte. War sie seine Tochter? Emerelle kniete nieder. »Nimm deine Tochter bei der Hand.«
Dobons Unterlippe zitterte. Seine Gesichtzüge wurden weich. Er widersprach nicht. Er streckte Imaga seine knorrige alte Hand entgegen. Auch sie fügte sich widerspruchslos in ihr Schicksal.
Emerelle begann zu singen. Leise und mit geschlossenen Augen. Sie öffnete sich ganz der Berührung des Windes. Es war sehr lange her, dass sie diesen Zauber das letzte Mal gewoben hatte. Wer sich darauf verstand, vermochte selbst Stürme damit zu besänftigen, solange sie nicht magischer Natur waren wie der Drachenatem. Als der Wind in der Schlucht erstarb, nahm sie Dobon bei der Hand und führte ihn gemeinsam mit Imaga über die Brücke. Dann kehrte sie zurück und nahm die nächsten Kobolde bei der Hand. So ging sie wieder und wieder. Sie trug die Kinder auf ihren Armen. Erlaubte ihnen, mit ihrem Haar zu spielen. Mit jedem Mal, das sie über die Brücke ging, wurde ihr das Herz ein wenig leichter.
Falrach schloss sich ihr an. Auch er half, die Kobolde zum Sonnentor zu begleiten.
Einige waren so mutig, den Weg allein zu machen, nun, da sie die gefährlichen Wind nicht mehr fürchten mussten.
Nachdem die Grauhäute anfangs noch angespannt gewesen waren, scherzten sie bald. Emerelle schwieg. Sie sang leise ihr Lied. Sie genoss es, wie Falrach sie ansah. Sie hatte ihn überrascht und seine Anerkennung gewonnen. Sie selbst aber war überrascht, wie viel ihr seine Blicke bedeuteten. S
eine Blicke!
Nicht Ollowains.
Nur Nikodemus Glops blieb mürrisch. Er wirkte, als wolle er etwas sagen. Aber er wagte es nicht, zu ihr zu kommen. Wahrscheinlich war er erzürnt darüber, dass sie Madras Tod mit keinem Wort gewürdigt hatte. Sie hatten die Höhle bei Sonnenaufgang zügig verlassen. Emerelle war aufgefallen, dass Amulette und sogar ein paar Kinderspielzeuge rings um den toten Troll gelegen hatten. Die Grauhäute würden ihn nie vergessen.
Als der letzte Kobold die Himmelsbrücke überschritten hatte, fühlte sie sich erleichtert. Wie ein junges, verliebtes Mädchen hatte sie auf ihrem letzten Weg im Vorübergehen Falrachs Hand gestreift. Ihr Lohn war wieder einer dieser Blicke gewesen, die ihr Herz schneller schlagen ließen. Im Jadegarten würden sie beide endlich allein sein können. Das Tal war groß genug, um einen einsamen Ort zu finden.
Die Sonne stand schon tief am Himmel. Das Abendlicht tauchte die weißen Felskämme in weiches, rosa Licht. Im Tal unter ihnen wuchsen Schatten von blassblau bis tiefschwarz.
Keiner der Kobolde hatte das Sonnentor durchschritten. Emerelle vermochte nicht einzuschätzen, ob sie ihr den Vortritt lassen wollten oder ob sie fürchteten, hinter dem seltsamen Felstor erwarte sie ein neuer Schrecken. Sie konnte es verstehen. Das
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