Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Sturm! Er hätte die Höhle nicht wieder verlassen dürfen!
Noch immer wichen die Grauhäute in Richtung Höhleneingang zurück. Und das, obwohl dort nach wie vor der Sturm tobte.
Rotes Licht stach in Falrachs empfindliche Augen. Selbst seine Lider waren vom Sand verletzt. Nur dort, wo ihn Stoff geschützt hatte, hatte der Sand keinen Schaden anrichten können.
Jetzt entdeckte er Emerelle. Sie kniete ganz am Ende der Höhle. Eine Aura aus rotem Licht umgab sie. Das verfluchte rote Licht! Er dachte an den Kerker in Feylanviek. An das Massaker an Trollen und Kobolden. Ein Messer ragte aus der Armbeuge der Königin. Sein Messer! Wie war es dorthin gelangt? Vor Emerelle lag eine verkrümmte Gestalt.
Falrach stand auf. Er schwankte, wollte sich mit einer Hand an der Höhlenwand abstützen und schreckte im letzten Moment zurück. Mit seinen gehäuteten Händen könnte er sich nirgendwo festhalten.
Bei jedem Schritt um sein Gleichgewicht kämpfend, gelangte er zu Emerelle. Er war so schwach, dass er der Ohnmacht nahe war, als er sich neben die Königin kniete. Sie war es, die geschrien hatte.
Falrach sah nach dem Kobold am Boden. Der Tote sah aus wie mumifiziert. Emerelles Arme waren vom Ellenbogengelenk abwärts verbrannt. Spiralen roten Lichts wanden sich um sie. Der Elf streckte vorsichtig eine Hand nach ihr aus. »Ruhig«, sagte er leise. »Hier gibt es keine Feinde.«
Blut rann über die Dolchklinge. Da ihr Arm abgebunden war, wagte er es, die Waffe zu ziehen. Er konnte spüren, wie das Metall über die Gelenkkugel schrammte. Diesmal gab die Königin keinen Laut von sich. Ihre Augen waren weit aufgerissen, doch sie schien nichts zu sehen. Die Pupillen waren nur winzige, schwarze Nadelpunkte. Ihre Arme sahen jetzt besser aus. Aber ihre Hände … Er musste sich zwingen, den Blick nicht abzuwenden. Sie erinnerten an ineinander verschränkte, verkohlte Äste. Die Hände, die ihn einst liebkost hatten. Er dachte wieder an Feylanviek. Offensichtlich vermochte die Königin, sich zu heilen. Jedem anderen hätte man die Arme amputieren müssen. Der Kobold, der tot zu ihren Füßen lag, hatte helfen wollen!
Falrach sah zu den Grauhäuten. Sie alle starrten ihn und die Königin an. Sie waren verängstigt, unentschlossen … Noch. Würden sie angreifen? Oder davonlaufen? »Er hat ihr ein Messer in den Arm gestoßen!« Es war ungerecht, aber er musste die Tatsachen verdrehen, um die Lage wieder zu beherrschen. »Er hat sie angegriffen! Habt ihr vergessen, wie sie in Oblons Dorf kam? Wie konntet ihr sie angreifen? Habt ihr vergessen, wie sie euch alle vor dem sicheren Untergang im Sandsturm bewahrte?« Einige senkten den Blick. Aber ein durchschlagender Erfolg waren seine Worte nicht gewesen. »Sie ist die Herrin der Magie.« Falrach entdeckte den Lutin zwischen den Grauhäuten. Ein falsches Wort von ihm konnte jetzt alles zunichtemachen. »Nikodemus, komm an meine Seite.«
Der Lutin wurde vorgeschoben. Keiner der Grauhäute versuchte ihn in Schutz zu nehmen. »Ihr werdet…«
Ein Raunen ging durch die Reihen der Kobolde. Einige warfen sich zu Boden, wie es manche Menschenkinder vor ihren Götzenbildern taten. Falrach verstand sie nicht, bis auch er aus den Augenwinkeln sah, wie die Königin ihre Hände hob. Die Handflächen waren makellos weiß. Nichts erinnerte mehr an die Verbrennungen. Mehr und mehr Kobolde warfen sich nieder. Sogar der Lutin.
Falrach wusste, dass hier kein Wunder geschah. Sie nutzte die Kraft des Albensteins. Aber er spürte, dass auch noch eine andere Macht wirkte. Etwas Fremdes, Dunkles. Der Elf hatte die ungute Ahnung, dass Emerelle Kraft aus dem Tod des Kobolds gewonnen hatte, der so leichtfertig versucht hatte, ihren Arm zu amputieren. Sie wirkte Blutmagie!
Sag ihnen, sie sollen ausruhen, erkl
ang ihre Stimme in seinen Gedanken. In
sieben Stunden, beim ersten Morgen
licht, werden wir aufbrechen, und wir werden nicht rasten, bevor wir den Jadegarten erreichen. Erst dort sind wir in Sicherheit.
Vierzehn Stunden nachdem sie die Höhle verlassen hatten, erreichten sie jene eine Schlucht, die durch das Felslabyrinth der Tafelberge zum Jadegarten führen würde. Emerelle war angespannt. So viel Zeit war verstrichen, seit sie das letzte Mal hier gewesen war. Wie würden die Gärten des Drachenkönigs jetzt wohl aussehen? Und wie würde die Gazala sie aufnehmen?
Die Elfe blickte zu Falrach, der als einer der Ersten den engen Saumpfad erklomm, der an der Flanke einer knochenweißen Felswand
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