Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
grauhaarige Frau schob gerade einige Würste in ihren Korb. Bei seinem Anblick fiel ihr die letzte Wurst aus der Hand.
Adrien hob sie auf und reichte sie ihr mit galanter Geste. »Werte Dame, würdet Ihr mich mit dem Herrn allein lassen? Ich habe einige private Dinge mit ihm zu besprechen.«
Eine der Würste, für die er zum Dieb geworden war und für die das Blumenmädchen sich verkauft hatte, nach all den Jahren nun wieder in der Hand zu halten, berührte ihn tiefer, als er erwartet hätte.
»Ich danke Euch, hoher Herr.« Die Frau verbeugte sich, was ihr sichtlich Mühe machte. Er nahm sie bei der Hand. »Ich bin keineswegs von höherem Stand als Ihr, meine Dame.« Sie schenkte ihm ein zahnloses Lächeln und ließ sich ohne Widerstand zur Tür geleiten.
Als er sich umdrehte, lag ein schweres Fleischermesser auf dem Tisch. Er hätte schwören mögen, dass es eben nicht da gewesen war. Aber immerhin hielt der Fleischhauer es nicht in der Hand.
»Womit kann ich Euch dienen, Herr?« Er war angespannt. Sein Gesicht hatte eine ungesunde, käsig weiße Farbe. Tiefe Ringe hatten sich unter seine Augen gegraben. Offensichtlich rasierte er sich nur unregelmäßig. Seine Wangen waren mit grauen Stoppeln bedeckt. Sein Haar war schütter, und sein Versuch, die ausufernde Glatze zu bekämpfen, indem er Haare über die kahlen Stellen legte, betonte sie nur noch mehr, statt sie zu verstecken. Er hatte eine Lederschürze umgebunden, die sich straff über seinen Spitzbauch spannte. Dunkles, fast schwarzes Blut hatte sich seit Jahren ins Leder gezogen. Die Arme des Fleischhauers waren nackt. Knotige Muskeln verrieten seine Kraft. Hände und Finger waren mit weißen Narben bedeckt, Spuren unachtsamer Augenblicke in einem Geschäft mit scharfen Messern. Der Mann wirkte schmuddelig und verhärmt. »Herr?«
Adrien war ganz in der Betrachtung des Fleischhauers versunken gewesen. Er räusperte sich. »Ich suche ein Mädchen«, klang seine Stimme dumpf durch den Helm. »Ich habe keine Tochter und kenne keine Mädchen.« »Das Blumenmädchen vom Heumarkt?«
Die Augen des alten Metzgers weiteten sich. »Was ist mit der?« »Wo finde ich sie?« Der Alte wischte sich die Hände an der Schürze ab, obwohl sie nicht schmutzig waren. »Ja, die. Die ist früher manchmal gekommen. Ein hübsches Ding.« Adrien musste an sich halten. »Wo steckt sie?«
»Die Stadtwachen haben sie geholt. Sie war irgendwie auch im Geschäft mit Würsten.« Er grinste anzüglich. »Hat ihr mehr gebracht als ihre Blümchen, denke ich.« »Sie war auch bei dir, nicht wahr?«
Der Fleischhauer kniff die Augen zusammen. »Na und? Daran war nichts Verbotenes. Ich hab immer ordentlich gezahlt. Mit …«
Adrien gebot ihm mit einer harschen Geste zu schweigen. Wenn er sich das Blumenmädchen und den Alten vorstellte, wurde ihm übel. »Was ist bei der Stadtwache mit ihr geschehen? Wohin hat man sie gebracht?«
»Keine Ahnung. Sie war einfach fort. Von einem Tag auf den anderen. In den Kerker ist sie nicht gegangen. Davon hätte ich gehört. Normalerweise hätte man sie in ein Badehaus gesteckt. Aber auch das ist nicht geschehen. Zumindest ist Elodia nicht in Nantour.« »Elodia? Ist das ihr Name?«
»Ihr sucht dieses Mädchen und kennt nicht einmal ihren Namen?«
»Elodia«, sagte er noch einmal leise, um den Klang ihres Namens zu kosten. Sollte das alles sein, was von ihr geblieben war?, dachte er verzweifelt. Adrien atmete schwer aus. So viele Stunden hatte er mit der Erinnerung an sie verbracht. Manches Mal hatte er sich schlimme Dinge vorgestellt. Hatte sich ausgemalt, was ihr alles zustoßen könnte. Aber dass sie einfach verschwinden würde … Er griff nach seiner Geldkatze und holte ein kleines, verbogenes Stück Gold hervor, Beute seiner endlosen Grabungen. Er hatte einige Beutel voll davon mitgenommen. Natürlich hätte er auf Jules hören und allein auf Tjured vertrauen können, aber Adrien hatte das Gefühl, dass Gott lieber Ritter hätte, die in der Lage waren, sich selbst zu helfen, und für so alltägliche Dinge wie einen vollen Bauch nicht auf seine Hilfe angewiesen waren.
Er legte das Goldstück vor dem Alten auf die zerfurchte Tischplatte. Der nahm es auf.
Betrachtete es misstrauisch von allen Seiten und nahm es sogar einmal kurz in de Mund. »Ist das …?«
»Ja, das ist Gold.«
»Ich weiß wirklich nicht, wo sie ist, Herr. Ich habe Euch alles gesagt. Das müsst Ihr mir glauben.«
»Das Gold ist für ihren Namen. Und für einen Jungen, der
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