Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Stadtkommandanten zu bringen.« Adrien sagte das ganz ruhig. Er blickte zur Brücke zurück und erwog, sofort wieder umzukehren. Allerdings würde er dann gegen die Wachen am Flusstor kämpfen müssen. Ein Wink von ihrem Kommandanten würde genügen, damit sie den Weg versperrten.
»Ich bin kein Lügner. Ich werde dich zum Stadtkommandanten bringen, wie ich es versprochen habe, doch ich fürchte, er weiß auch keine Antwort auf deine Fragen. Komm! Wenn wir fertig sind, lade ich dich ins Gasthaus ein. Ich habe nichts gegen dich, Junge. Ich will dich nur nicht in meiner Stadt haben.«
Adrien wusste nicht, wie er mit dem alten Krieger umgehen sollte. Er fühlte sich völlig überrumpelt, und das auf eine Art, dass er Raoul nicht einmal böse war. Vielleicht würde das ja später noch kommen. Er blickte über die Ebene. Da gab es nur Bauernhäuser. »Dort finde ich den ehemaligen Stadtkommandanten?«
»Komm einfach noch ein kleines Stück Weg mit mir. Dann wirst du verstehen.« Ratlos, was er sonst hätte tun sollen, ging er mit und versuchte die Flüche seines Pferdes zu überhören, das ihn einen Tölpel und Schlimmeres nannte.
Hinter dem Richtplatz gab es ein kleines, von Pappeln umstandenes Feld. Dort wurden die Gehenkten und andere begraben, die keinen Platz auf dem Totenacker Nantours fanden, weil die Umstände ihres Todes sie für immer von allen anderen unterschieden.
Der Friedhof war von einer niedrigen Steinmauer umgeben. Ein schmales schmiedeisernes Tor war der einzige Zugang. Zwei Heiligenbilder wachten am Eingang, Statuen, die Adrien jetzt als ungelenk und fast kindlich in der Ausführung empfand.
Als er auf den Totenacker trat, schlug er verstohlen das Zeichen des schützenden Horns.
Das fehlt noch! Da haben wir einen heimlichen Heiden, der ein Ritter Tjureds sein will.
Diesmal hatte er für den Spott nur ein Lächeln übrig. Jeder vernünftige Mensch wusste, dass man sich vor den Toten auf einem solchen Friedhof nicht genug in Acht nehmen konnte. Die Gräber der Selbstmörder, Gehenkten und Kindsmörderinnen waren verflucht. Ihre Toten waren dazu verdammt, keinen Frieden zu finden. Und wenn man nicht alle Regeln beachtete, mochte es sein, dass sie sich wieder aus ihren Gräbern erhoben.
»Hier liegt er.« Raoul war vor einem großen, grauen Feldstein stehen geblieben. Wi bei allen Gräbern hier draußen gab es keinen Namen. Namen hatten die Macht, Tot länger in der Welt der Leben zu halten.
»Was hat er getan?«
»Drei Tage nachdem ich mit meinen Männern in die Stadt gekommen bin, um ihn abzulösen, hat er sich die Kehle durchgeschnitten. Ich habe an jenem Abend noch mit ihm gegessen. Er wirkte bedrückt. Aus irgendeinem Grund schien er überzeugt gewesen zu sein, dass er sein Kommando in Nantour bis ans Ende seiner Tage behalten würde. Dabei kannte er die Regeln! Er wusste, dass er schon ungewöhnlich lange mit seinen Männern in der Stadt war. Um Bestechlichkeit und andere, schlimmere Übel zu bekämpfen, lässt König Cabezan die Stadtwachen regelmäßig versetzen. Es ist selten, dass ein Kommandant länger als vier oder fünf Jahre in einer Stadt bleibt. Er hatte einen Marschbefehl an die Grenze nach Drusna bekommen. Kein guter Platz, um seinem König zu dienen. Es gibt ständig Überfälle, und es häufen sich Gerüchte, dass ein Krieg bevorsteht. Die Waldgrenze ist kein Ort, an den man gerne geht. Aber ich hatte das Gefühl, dass er sich mit seinem Schicksal arrangiert hatte, als ich nach dem Abendessen ging. Er hatte Pläne gemacht, einen Trupp Lanzenreiter aus Equitanien anzuwerben. Und er wollte sich einen Schuppenpanzer anfertigen lassen, so wie ich ihn trage. Jemand, der sich umbringen will, macht doch nicht solche Pläne! Er hatte mich auch für den nächsten Morgen eingeladen, um mit mir die Würdenträger der Stadt aufzusuchen und mich vorzustellen.« »Wie ist er gestorben?«
»Er hat sich in den Lehnstuhl seines Amtszimmers gesetzt und sich die Kehle durchgeschnitten.« Raoul schüttelte den Kopf. »Ich habe oft gedacht, dass er hier zu Unrecht liegt. Dass er ermordet worden ist. Aber vor seiner Kammer lag die Wachstube. Niemand konnte unbemerkt zu ihm gelangen! Die Priester haben ihm den Kopf ganz abgeschnitten, wie man es bei Selbstmördern macht. Sie haben den Kopf in einen Sack mit Steinen gesteckt und im Fluss versenkt. Der Rest liegt hier begraben. Du siehst, ich habe Wort gehalten, ich habe dich zu dem Mann gebracht, den du gesucht hast.« Er lächelte linkisch.
Weitere Kostenlose Bücher