Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
Lehm und geflochtenen Zweigen geschnitten. Gerade groß genug, dass man sich auf dem Bauch liegend hindurchzwängen konnte.
»Lass Pferde satteln«, sagte Lambi ruhig. »Wir brauchen auch Fackeln. Sie ist nach Norden gegangen.« Große Hoffnungen, sie noch zu finden, hatte er nicht. Sie war eine erfahrene Jägerin. Sie wusste, wie man unentdeckt blieb. Hoffentlich war sie schlau genug, um die Trolle zu überlisten. Sie waren ein ganzes Volk von Jägern.
DER STEINERNE WALD
Adrien beobachtete den Alten. Er stand vorne im Boot und stakte sie mit langsamen, sicheren Bewegungen zwischen den Felsen hindurch. Nur ab und an betrachtete der Junge die Landschaft. Hätte dort vorn im Bug ein anderer Schiffer gestanden, er hätte sich sicher kaum sattsehen mögen an den himmelhohen Bergen, an deren Steilflanken sich dunkle Zedernhaine erstreckten. Die Wipfel waren weiß von Schnee, doch an den Ufern hatte der Winter noch keine Macht gewonnen. Dichtes braunes Röhricht verbarg ganze Scharen von Vögeln, wie Adrien sie noch nie zuvor gesehen hatte. Kleine blaue Sänger, die in der Morgenstunde einen unheimlichen, klagenden Ruf über den Strom hallen ließen. Wildenten mit grünrotem Gefieder, die ganz plötzlich in dichten Schwärmen aus dem toten Schilf hervorbrachen. Große weiße Vögel auf dürren Beinen und mit stolzem Kopfputz, die würdevoll im seichten Wasser herumstaksten. Aber Adrien gestattete sich nur flüchtige Blicke auf all diese Wunder, denn er reiste mit dem Tod, und er hatte Angst, dass er, wenn er den Alten aus den Augen ließ, bald auch nicht mehr zu den Lebenden gehören würde.
Seit der Schiffer ihn im Verhau im Heck besucht hatte, hatten sie beide kein Wort mehr miteinander gewechselt. Fast zwei Tage war das her. Adrien musste inzwischen darum kämpfen, dass ihm die Augen nicht zufielen. Der Alte schien keine Müdigkeit zu kennen. Natürlich nicht! Er war jenseits aller Müdigkeit.
In der ersten Nacht hatte Adrien noch gehofft, der Widergänger würde im ersten Morgenlicht verschwinden. So war es in allen Geschichten, die er je über die Geschöpfe der Nacht gehört hatte. Aber der Schiffer blieb. Er hielt den Lastkahn auf Kurs. Unbeirrbar. Schweigend. Nur selten blickte er über die Schulter zu Adrien. Seine blauen Augen schienen alterslos. Nicht ein einziges Mal zwinkerte er.
Der Junge musste gähnen. Er streckte sich und zwang sich dann, ganz gerade zu sitzen. Langsam wurde ihm bewusst, dass er in diesem Duell unterliegen würde. »Wohin bringst du mich?« Seine Kehle war vom langen Schweigen rau. Die Worte fühlten sich fremd und sperrig an.
»Zum Steinernen Wald.« Der Schiffer blickte nicht einmal über die Schulter. »Ist dort deine Gruft?«
Der Alte stieß seinen Stecken tief ins Wasser und lenkte das Boot an einer Klippe vorbei. Der Fluss strömte hier schneller. Die Stimme des Wassers war von einem leisen Flüstern zu einem gehetzten Raunen geworden. Es schien der weiten Berglandschaft entfliehen zu wollen. Weißer Schaum umspülte die Felsen. »Bringst du mich in deine Gruft?« »Du wirst allein zum Steinernen Wald hinaufsteigen.«
Adrien brauchte eine Weile, um die Worte zu erfassen. Er würde ausgesetzt werden! Hier inmitten der Wildnis. In dieser verrufenen Gegend, in die sich nicht einmal Räuber wagten. Der Steinerne Wald … So lange er sich erinnern konnte, hatte er Geschichten von der versunkenen Stadt in den Bergen gehört. Es hieß, dort lägen unermessliche Reichtümer verborgen. König Cabezan war einst mit einem Heer in die Berge gezogen, um Säulen für seinen Palast zu holen. Aber selbst im Schutz seiner Krieger hatte er sich nicht sehr weit in die Berge gewagt. Mit nur vier kümmerlichen Säulen war er zurückgekehrt. Seine Männer aber hatten Hunderte Geschichten in die Städte Fargons getragen. Geschichten von den unheimlichen Stimmen der Berge. Von Lichtern, die um die höchsten Säulen tanzten. Von einem gläsernen Tal und Geistern. »Ich kann da nicht hingehen«, sagte er leise. »Niemand geht dahin.«
»Dann werde ich dich ertränken«, entgegnete der Schiffer so beiläufig, wie man eine lästige Fliege erschlug. Und Adrien hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass er es ernst meinte.
BURG ELFENLICHT
Skanga nahm seine Aura in sich auf. Die fließenden Farben der Angst. »Er ist unverletzt«, flüsterte Birga ihr ins Ohr.
Die alte Schamanin seufzte. Das sah sie auch. Obwohl sie blind war. Blind für all das, was sich dem Auge aufdrängte, um die Wahrheit zu
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