Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
und Wetter gezeichneten Gesichtern.
Die Schiffe trugen die Spuren eines Kampfes. In manche Rümpfe waren gezackte Löcher gestanzt. Verwundete wurden auf kleinere Boote verladen und zum Ufer gebracht.
»Das ist kein guter Platz, Herrin«, murmelte Nikodemus. Der Lutin hatte auf ihren Befehl die Gestalt eines kleinen Jungen angenommen. Er sah hübsch aus mit seiner makellos braunen Haut und den Fuchsaugen. Schwarzes Lockenhaar rahmte sein kleines Gesicht. Er trug eine türkisfarbene Tunika. Genau wie Falrach. Zwei Schwertgurte kreuzten sich über der Brust des Elfen. Sie waren mit primitiven Amuletten geschmückt. Eines der Schwerter wäre für sie, falls es notwendig wurde, zu kämpfen. Fast eine Woche waren sie zwischen den Aegilischen Inseln gekreuzt. Der Albenstern, durch den sie gekommen waren, hatte nahe der Küste Iskendrias gelegen. Emerelle hatte die Zeit genutzt, den beiden ein wenig vom örtlichen Dialekt beizubringen. Es war die derbe Sprache von Fischern und Bauern. Ohne jede Poesie.
Eine Woche hatte sie versucht, Falrach zu entlocken, was mit Nailyn gewesen war. Direkt hatte sie ihn nicht darauf angesprochen. Und er hatte Spaß daran gehabt, sie einfach nicht zu verstehen. All die Metaphern und Andeutungen falsch zu deuten. Selbst Nikodemus wusste inzwischen, worum es ihr ging!
Aber Falrach sagte nichts. Gewiss hatte er nur mit der Elfe getanzt. Schon hundert Mal hatte sie sich das gesagt. Aber sie kannte ihn zu gut, um es wirklich glauben zu können. Sie wusste, dass es Narretei war. Sie würde ihm ja nicht einmal glauben, wenn er sagte, dass nichts gewesen wäre.
Falrach lehnte am Mast und beobachtete die Krieger in der Bucht. Bogenschützen standen auf den Felsen. Der Elfenritter griff nach den Schwertern auf seinem Rücken und vergewisserte sich, dass die Klingen leicht aus den geölten Scheiden gleiten würden. Er sah gut aus in der Tunika. Unter einem breiten, geflochtenen Lederband verbarg er seine verräterischen Ohren. Er trug scharlachrote Sandalen. Auch wenn sein Aufzug albern war, sah Emerelle überdeutlich, was sich dahinter verbarg. Er war bereit, zu töten. Sie hatte er ganz vergessen. All seine Sinne waren gespannt. Es war Pech, dass die Flotte des Piratenprinzen Tigranes von Zeola ausgerechnet hier Zuflucht gesucht hatte. Zweimal hatten sie in kleinen Fischerdörfern angelegt, deshalb wussten sie, wem das Schiff mit den purpurnen Segeln gehörte. Tigranes war der Held des ungleichen Kampfes mit Iskendria. Seit Jahren schaffte er es immer wieder, der überlegenen Flotte der Priesterfürsten zu entkommen. Vor wenigen Tagen erst war es zu einem Seegefecht gekommen. Ob auch der Piratenfürst hier war, um das Orakel um Rat zu befragen?
»Diese Bucht anzusteuern, ist nicht klug«, sagte Falrach, ohne die Bogenschützen auf den Felsen aus den Augen zu lassen. »Wir sollten weitersegeln und in ein paar Tagen zurückkehren. Sie werden bestimmt nicht lange hierbleiben.«
»Meine Rede!«, stimmte Nikodemus zu. »Das ist ein einziger Haufen von Halsabschneidern.«
»Die Fischer nannten sie Freiheitskämpfer«, entgegnete Emerelle gelassen.
Falrach drehte sich zu ihr um. Es war das erste Mal seit Stunden, dass er sie ansah. »Kämpfen wir oder ergeben wir uns?«
»Warten wir es ab. Du hast doch nicht ernsthaft Sorgen, dass Menschenkinder uns gefährlich werden könnten?«
»Es sind viele«, entgegnete er. »Und sie sehen verzweifelt aus. Es wäre klug, ihnen aus dem Weg zu gehen.«
»Ich muss zu Samur! Die Zeit drängt.« Sie konnte ihm ansehen, dass er ihr nicht glaubte.
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist es Jahrhunderte her, dass du die Gazala das letzte Mal gesehen hast. Warum kommt es dir jetzt auf jede Stunde an?« »Weil ich nicht weiß, ob uns noch weitere Shi-Handan folgen. Sie finden uns sogar in der Welt der Menschen. Ein Geisterhund hat mich vor einigen Jahren in Firnstayn im Fjordland aufgespürt. Ich möchte nicht, dass die Menschenkinder noch einmal in die Machtkämpfe Albenmarks hineingezogen werden.« Das alles war eine Lüge. Falrach hatte mit seinem Einwand Recht. Es wäre vernünftig, noch zu warten, aber sie hatte keine Geduld mehr. Sie wollte Ollowain. Oder die Gewissheit, dass er für immer verloren war.
»Du meinst, es jagen uns noch mehr von diesen Geisterhunden!«, rief Nikodemus entsetzt. »Das hättest du vorher sagen müssen!«
»Mir kam es so vor, als seiest du sehr unglücklich auf deiner Insel gewesen.« »Ich bin lieber unglücklich als tot«,
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