Die Elfen 04 - Die Elfenkönigin
auf der Straße am Kanal aufgegriffen hatte. Was die Schamanin nicht verstehen konnte, war, warum Emerelle dieses merkwürdige Spiel trieb. Warum hatte sie sich die Hand zerquetschen lassen? Sie wäre gewiss zu jedem beliebigen Augenblick in der Lage gewesen, sämtliche Wachen niederzumachen. War das der Beginn eines neuen Krieges um den Thron von Albenmark? Sie hatte erleichtert gewirkt, als sie Burg Elfenlicht verließ. Hatte sie ihre Meinung so schnell geändert? Oder war das hier nur einer Laune der Elfenkönigin entsprungen? So lange schlug Skanga sich nun schon mit Elfen herum. Aber jedes Mal, wenn sie glaubte, sie würde endlich verstehen, was in ihren zerbrechlichen kleinen Köpfen vor sich ging, überraschten die Spitzohren sie aufs Neue. Sie waren mit Abstand das grausamste Volk Albenmarks, auch wenn sie diese Neigung nur selten so offen auslebten, wie es hier in dieser Kammer geschehen war.
Ein leises Hüsteln riss die Schamanin aus ihren Gedanken. »Schwester Skanga? Wenn du mir einen Augenblick deiner geschätzten Aufmerksamkeit schenken könntest, würde ich dich gerne auf etwas hinweisen, was, so glaube ich, die Interessen des Volkes berührt.«
Skanga drehte sich um. Nikodemus Glops hatte die Angewohnheit, so dicht hinter ihr zu stehen, dass ein Furz von ihr ihm gewiss den Atem nehmen würde. Der Lutin war ein Speichellecker und Schmeichler. Sie konnte ihn nicht leiden. Aber sie wusste, sie würde ihn noch brauchen. Allein seine gestelzte Art zu reden ärgerte sie schon. Was taugte Sprache, wenn man sie dazu benutzte, um zu verschleiern, was man sagen wollte! Und diese Unsitte der Kobolde um Elija Glops, jeden mit
Bruder
oder
Schwester
anzureden … Wie konnte ein Kobold, der kaum halb bis zu ihrem Knie reichte, sich anmaßen, sie Schwester zu nennen? Die Rotmützen waren völlig verrückt geworden. Sie erzählten jedem, alle Kinder Albenmarks seien gleich. Blanker Unsinn! »Was willst du?«
»Es ist sicherlich von größter Bedeutung, in den Spuren auf dem Boden zu lesen … Eine Kunst, in der ich leider unerfahren wie ein Kind bin, aber ich dachte mir, es könnte vielleicht weiterhelfen, darauf hinzuweisen, dass etwas mit Blut an die Wand geschrieben wurde. Es ist nicht sehr ordentlich ausgeführt … Wahrscheinlich hat man einen abgetrennten Arm oder etwas Ähnliches zum Schreiben benutzt. Unter den ganzen Blutspritzern kann man es leicht übersehen …«
Skanga überhörte nicht, dass der Lutin sich über sie lustig machte. Er war der Einzige in der Kammer, der lesen konnte. Und er war sich dessen sehr bewusst, auch wenn er versuchte, seinen Spott hinter schmeichlerischen Worten zu verbergen. »Was steht da?«
»Wer du
rch das Schwert herrscht, wird durch das Schwert fallen. Auf
Elfisch hört sich das etwas poetischer an als in der Übersetzung.«
Skanga sah ihn genau an. In seiner Aura fehlte die Farbe der Angst. War er so selbstsicher oder so dumm, dass er glaubte, er könne sie ungestraft reizen? Die Lutin unterschieden sich von den anderen Koboldvölkern. Sie waren rastlose Wanderer. Niemand mochte sie lange um sich haben. Selbst bei anderen Kobolden galten sie als Lügner und Diebe. Skanga nahm ihn, wie alle anderen Lebewesen auch, nur als einen verschwommenen Schatten wahr, umgeben von einer Aura aus sanft pulsierendem Licht. An den Farben der Aura konnte sie seine Stimmungen ablesen. Was die Gefühle anderer anging, war sie sich sicherer als jeder Sehende. Selbst feinste Veränderungen der Stimmungslage waren deutlich an der Aura abzulesen. .
Je länger sie Nikodemus betrachtete, desto deutlicher wurde das Blau. Er war als doch nicht gegen Angst gefeit!
»Was, glaubst du, wollen die Elfen uns damit sagen?«
Es war totenstill in der weiten Kammer. Der muffige Geruch von vor Tagen vergossenem Blut hing schwer in der Luft. Es war kühl. Das Blau gewann weiter an Kraft in der Aura des Lutin. Skanga konnte riechen, wie er schwitzte.
»Elija sagt, dass die alten Herrscher sich niemals damit abfinden werden, dass das Volk sie aus den Palästen vertrieben hat. Alles, was bisher geschah, war nur ein lauer Wind. Wir müssen einen Sturm heraufbeschwören, der sie für immer hinwegfegt. Einen Sturm, der ein Volk von einigen Brüdern zurücklässt…«
»Genug! Ich will nicht wissen, was dein Bruder denkt. Hast du eine eigene Meinung?« »Ich denke, es ist die Tat von Konterrevolutionären. Sie wollen unsere Herrschaft erschüttern, bevor sie sich festigt. Sie wollen zeigen, dass sie noch da
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