Die Elfen von New York
Gesicht breit.
Geigespielen war zu schwer für ihn. Nie würde er Fortschritte machen. Im Grunde mochte er das Instrument gar nicht mehr, obwohl die Geige damals, als er sie in einem Gerümpelladen unter einem Haufen kaputter Trompeten entdeckt hatte, ihm irgendwie bedeutsam erschienen war.
In der Schule hatte er kurz Geigenunterricht genommen, aber bald wieder aufgegeben. Die Geige und das Lehrbuch hatte er vor allem deshalb gekauft, weil sie ihn an seine Schulzeit erinnerten, das letzte Mal, daß er Freunde hatte.
»Hol sie«, befahl er Heather.
»Nein.«
Für Heather war das alles sehr frustrierend. Wenn Dinnie nicht richtig Geigespielen lernte, würde sie vor Morag das Gesicht verlieren. Unklugerweise hatte Heather behauptet, für sie, mit ihrem hervorragenden Fiedeltalent, sei es überhaupt kein Problem, aus Dinnie einen guten Violinisten zu machen.
Jetzt war ihr klar, daß Morag sich mit Absicht über die MacKintoshs lustig gemacht und sie so zu dieser voreiligen Behauptung verleitet hatte.
»Wenn du gut spielst, kannst du viel Geld verdienen!«
»Aber nicht schnell genug. Vorher fliege ich aus der Wohnung«, brummte Dinnie. Nach dem Diebstahl seines Fahrrads war dieses Thema ein wunder Punkt für ihn.
Heather fuhr sich durch ihr goldenes Haar, bewunderte sich im Spiegel und dachte verzweifelt nach. Lieber wollte sie sterben, als vor Morag MacPherson eine Niederlage eingestehen.
»Hör zu, ich mache dir einen Vorschlag«, sagte sie nach einer Weile. »Ich versuche, dir Geigespielen beizubringen. Wenn du Fortschritte machst, freust du dich. Wenn du keine machst, verspreche ich dir, fortzugehen und dich in Ruhe zu lassen. Und dann freust du dich genauso.«
Daß Heather in Manhattans Straßenschluchten verschwinden würde, war in der Tat eine angenehme Vorstellung für Dinnie.
»Okay«, stimmte er zu. »Bring mir was bei.«
»Du wirst mir die Fotze lecken, du dreckiger Wurm«, schnurrte eine Frauenstimme. »Ruf gleich 970 D-O-M-E-N-I-C-A an.«
»Stell bitte Kanal dreiundzwanzig ab«, sagte Heather. »Er ist dem Geigenunterricht nicht förderlich.«
Dinnie lachte.
»Hab ich’s mir doch gedacht, daß ihr Feen prüde seid.«
»Ich bin nicht prüde. In den Highlands gelte ich als die heißblütigste Geliebte seit die große Feen-Dudelsackspielerin Mavis MacKintosh es in einer Nacht mit achtzehn Männern, zwölf Frauen und dem Oberhaupt der MacAuly-Elfen getrieben hat. Alle waren befriedigt, aber sehr erschöpft. Ich habe nur was gegen Telefonsex. Stell also den Fernseher ab.«
Im Central Park sah Brannoc schwermütig zu Petal und Tulip hin, die unter einem Busch Händchen hielten. Da sie Bruder und Schwester waren, konnte niemand daran Anstoß nehmen, daß sie Händchen hielten, trotzdem war Brannoc eifersüchtig. Seit dem Tag, als er, der wandernde Barde aus den kalten, unbekannten Grafschaften Nordenglands, nach Cornwall gekommen war, liebte er Petal.
Maeve und Padraig fragten die Eichhörnchen, wo sie einen Tropfen Guinness auftreiben könnten.
»In fast jeder Bar«, sagte eins der Eichhörnchen. »New York ist voller Iren, die gern Guinness trinken. Ihre Kneipen erkennt ihr an dem Kleeblatt draußen. Aber das heißt, daß ihr durch Straßen voller Menschen laufen müßt. Ihr behauptet zwar, daheim in Irland würde jeder Mensch euch mit Freuden ein Bier holen. Aber ob das auch hier in New York gilt, daran habe ich meine Zweifel.«
Maeve verkündete, sie würde auf der Stelle losgehen und Bier auftreiben, denn schließlich sei sie Maeve O’Brien aus Galway und fürchte sich weder vor Gott noch der Welt. Aber Padraig war vorsichtig und meinte, sie sollten lieber noch warten.
Petal und Tulip waren traumverloren. Sie versenkten sich oft in einen tranceartigen Feentraum, um ihren Vater zu vergessen. Sie waren die Kinder von Tala, dem König, und wußten, er würde die Suche nach ihnen nie aufgeben.
»Wow«, sagte Spiro, als er das hörte. »Ihr seid Königskinder! Na sowas! Königliche Hoheiten! Hier im Central Park!«
Aber Maeve verzog nur verächtlich das Gesicht, denn sie hatte nichts übrig für Englands königliche Hoheiten und tat Petals und Tulips Streit mit dem Vater als die übliche Borniertheit englischer Aristokraten ab.
»Haben ihr Lebtag noch nicht gearbeitet«, brummelte sie und spielte einen wilden Tanz auf ihrem Dudelsack.
Brannoc klimperte auf seiner Mandoline. Er gab Petal und ihrem Bruder Mandolinen- und Flötenunterricht. Und wenn die beiden nicht gerade träumten, waren
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