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Die Elfen von New York

Die Elfen von New York

Titel: Die Elfen von New York Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Millar
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die ganze Nacht durch zum Vergnügen, und ich so manchen die Melodie spielen hörte, fand ich keinen besser als mich.
    Als dann der Tag des Juniorenwettbewerbs kam, war ich ein Nervenbündel. Meine Mutter, die trotz vieler Fehler etwas vom Fiedelspiel verstand, goß mir einen Schluck Whiskey in den Hals und befahl mir, nicht schlappzumachen. Der Whiskey beruhigte mich, und als ich die anderen jungen Spieler hörte, wurde mir klar, daß ich besser war als sie alle. Dann war ich an der Reihe. Voll Zuversicht stand ich auf, als eine blasse, kränklich aussehende kleine Fee mit ungewöhnlich goldenem Haar vortrat und zu spielen begann. Sie spielte ›Tullochgorum‹, und es war die beste Wiedergabe des ganzen Festivals. Das Publikum raste. Natürlich war ich außer mir vor Wut.«
    »Natürlich«, stimmte Kerry zu. »Das war ein gemeiner Trick.«
    »Keine Frage! Und vielleicht hätte ich mich entmutigen lassen, aber am Kilt der blonden Fee konnte ich sehen, daß sie eine MacKintosh war, und mich von einer MacKintosh-Fee aus dem Feld schlagen zu lassen, kam nicht in Frage. Schließlich mußte ich an die Ehre meines Clans denken. Außerdem wäre meine Mutter fuchsteufelswild geworden. Also trat ich vor, schloß die Augen und spielte. Was meinst du wohl, wie ich gespielt habe?«
    »Warst du gut?«
    »Ich war sensationell. Die beste Interpretation von ›Tullochgorum‹, die es dieses Jahrhundert gegeben hat, jedenfalls sagen das unvoreingenommene Zeugen.«
    »Also hast du gewonnen?«
    »Nein, es gab ein Unentschieden zwischen Heather und mir. Sie bekam einen Sympathie-Bonus, weil sie so kränklich aussah. Außerdem ging das Gerücht, die MacKintoshs hätten die Jury bestochen. Es hätte mir nichts ausgemacht, mit Heather den ersten Platz zu teilen, aber – du wirst es kaum glauben – Heather und ihre Mutter fingen an zu zetern, daß Heather eindeutig besser gespielt hätte, und behaupteten, die MacPhersons hätten die Jury zu meinen Gunsten bestochen. Ist das zu fassen?«
    »Und was geschah dann?«
    »Ich fiel über Heather her und wollte sie umbringen. Unglücklicherweise war sie zäher als sie aussah, und es gab eine schreckliche Schlägerei. Wir beide hatten Wunden und blaue Flecken und ausgeschlagene Zähne, ehe man uns auseinanderzerrte. Und dann, danach, sind wir Freundinnen geworden.«
    »Einfach so?«
    »Ja. Schließlich waren wir die beiden besten Fiedlerinnen dort. Und als die weise Fee unsere Wunden verband, mochten wir uns plötzlich. So haben Heather und ich uns kennengelernt. Und so haben wir auch unsere hervorragenden Fiedeln bekommen. Sie waren unsere Preise. Aber Heather wird nie zugeben, daß meine Version von ›Tullochgorum‹ besser war als ihre.«
    »Und diese unterschwellige Aggression ist also schuld an eurer ewigen Streiterei?«
    Morag war sich nicht sicher, was »unterschwellige Aggression« bedeutete, nickte aber trotzdem zustimmend.
    »Außerdem behauptet sie, eine radikale keltische Band zu gründen sei ihre Idee gewesen, dabei war es meine. Ich hatte als erste die Ramones gehört. Der Sohn vom Schmied hatte ihre ersten drei Schallplatten.«
    Morag sinnierte.
    »Und jetzt bin ich in New York gelandet, wo sie herkommen. Wenn das keine Fügung des Schicksals ist! Heather und ich mußten ja vor allem deshalb aus Cruickshank fort, weil wir die alten schottischen Tänze in Punkversion gespielt haben und zerrissene Kilts trugen. Die anderen Feen sind deshalb auf uns losgegangen. Und daß wir uns die Haare färben, hat ihnen auch nicht gefallen.«
    Sie griff zu ihrer Fiedel, spielte ›Tullochgorum‹ auf eindrucksvoll traditionelle Weise und machte sich dann daran, die Noten für das Gitarrensolo aus ›Bad Girls‹ von den New York Dolls aufzuschreiben. Mit den Noten, hoffte sie, würde es ihr gelingen, Kerry das Solo beizubringen. Da aber Morag keine Gitarristin war und Kerry kaum etwas von Musik verstand, erwies sich das Ganze als äußerst mühsam.
    »Dieser elende Schweinehund von Cal, der konnte das Solo spielen«, schimpfte Kerry, und ihre Augen blitzten vor Haß.
    Auf der anderen Straßenseite sah Dinnie aus dem Fenster.
    »Komisch«, murmelte er, »ich könnte schwören, daß dort drüben jemand Geige spielt.«
    »Vergiß es«, sagte Heather. »Das war bloß eine rollige Katze. Bist du dir ganz sicher, daß du nirgends ein Tröpfchen Whiskey hast?«

5
     
    Nachdem Morag fortgeflattert war, blieb Heather bei Dinnie, der darüber bemerkenswert wenig Begeisterung an den Tag legte.
    »Such dir

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