Die Elfen
auf das Tor zu. Der Elf hielt sich an seiner Seite. »Ich brauche niemanden, der mich stützt«, brummte Mandred missmutig.
»Andernfalls würdest du auch eine kümmerliche Figur bei Hof abgeben.« Ein freundlicher Blick nahm Ollowains Worten ihren Stachel.
Die Pferde unter dem Torbogen warteten geduldig. Nirgends waren Knechte zu sehen, die sie herbeigeführt hatten. Ein gewölbter Torweg zog sich wie ein Tunnel durch das Mauerwerk des mächtigen Turms. Er lag verlassen. Auch hinter den Zinnen der Mauer ließ sich niemand blicken. Und doch spürte Mandred mit einem Mal, dass er beobachtet wurde.
Wollten die Elfen verbergen, wie stark die Garnison war, die das Tor zum Herzland bewachte? Hielt man ihn denn für einen Feind? Für einen Späher vielleicht? Aber hätte ihn dann die Eiche geheilt?
Ein Schimmel und ein Grauer erwarteten sie. Ollowain trat an den weißen Hengst heran und tätschelte ihm verspielt die Nüstern. Mandred kam es so vor, als schaute der Graue ihn erwartungsvoll an. Er verstand nicht viel von Pferden. Diese Tiere waren von leichtem Körperbau; sie hatten schlanke Fesseln und wirkten zerbrechlich. Aber er hatte sich ja auch von Ollowains Aussehen täuschen lassen. Wahrscheinlich waren sie ausdauernder und stärker als jedes andere Pferd, das er bislang geritten hatte. Ausgenommen Aigilaos. Mandred schmunzelte bei der Erinnerung an den großsprecherischen Kentauren.
Stöhnend zog er sich in den Sattel. Als er halbwegs aufrecht saß, bedeutete der Elfenkrieger ihm zu folgen. Dumpf hallte der Tritt der unbeschlagenen Hufe von den Wänden des Tortunnels wider.
Ollowain schlug einen Weg ein, der über sanft ansteigende grüne Hügel führte. Es wurde ein langer Ritt bis zur Burg der Elfenkönigin, vorbei an dunklen Wäldern und über eine Unzahl kleiner Brücken. Ab und an sah man in der Ferne Häuser mit kühn ge -schwungenen Kuppeldächern. Mit Bedacht in die Landschaft gebettet, wirkten sie auf Mandred wie Edelsteine, die in eine besonders kostbare Fassung eingearbeitet waren.
Es war ein Land des Frühlings, das er mit Ollowain durchquerte. Wieder fragte Mandred sich, wie lange er unter dem Eichbaum geschlafen haben mochte. In den Märchen hieß es, dass in der Elfenwelt ewiger Frühling herrsche. Gewiss waren nicht mehr als nur zwei oder drei Tage vergangen, seit er durch den Steinkreis gegangen war. Vielleicht sogar nur ein einziger!
Mandred zwang sich, seine Gedanken zu ordnen, um vor der Königin nicht wie ein Narr dazustehen. Inzwischen war er überzeugt davon, dass der Manneber von hier, aus der Elfenwelt, gekommen war. Er dachte an Xern und Aigilaos. Hier schien es nichts Ungewöhnliches zu sein, wenn Menschen und Tiere miteinander verschmolzen - so wie der Manneber.
Wenn sich die Fürsten des Fjordlands trafen, um Recht zu sprechen, war es an Mandred, Firnstayn zu vertreten. Er wusste, was zu tun war, um eine Fehde im Keim zu ersticken. Kam es zwischen zwei Sippen zu einer Bluttat und ein Mann wurde getötet, dann musste die Familie des Mörders der Familie des Opfers ein Wergeid abtreten. Wurde dieses geleistet, so gab es keinen Grund mehr zur Blutrache. Der Manneber kam von hier. Die Königin der Elfen trug für ihn Verantwortung. Mandred hatte durch ihn drei Gefährten verloren. Firnstayn war so klein, dass der Verlust von drei kräftigen Männern seinen Bestand gefährden mochte. Er würde ein hohes Wergeid fordern! Luth allein mochte wissen, wie viele Männer aus anderen Dörfern von der Kreatur getötet worden waren. Die Albenkinder hatten den Schaden angerichtet, also sollten sie auch für ihn aufkommen. Das war nur gerecht!
Gewiss fürchteten die Elfen keine Blutfehde mit seinem Dorf. Dennoch war er es seinen toten Freunden schuldig, dass er die Stimme am Hof der Königin erhob und Gerechtigkeit forderte. Ahnte die Herrin von Albenmark das vielleicht? Wusste sie, welche Schuld sie auf sich geladen hatte? Ließ sie ihn deshalb mit solcher Eile an den Hof holen?
Am späten Nachmittag erblickten sie zum ersten Mal die Burg der Elfenkönigin. Sie lag noch ein ganzes Stück entfernt auf einem steilen Hügel, jenseits eines weiten Landes mit Wäldern und Wiesen. Ihr Anblick verschlug Mandred die Sprache. Die Burg schien geradewegs aus dem Fels zu wachsen und sich mit den Dächern ihrer höchsten Türme in den Himmel bohren zu wollen. Die Mauern waren von strahlendem Weiß, während sich die Dächer in einem Blaugrün absetzten, das an die Farbe alter Bronze erinnerte. Kein
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