Die Elfen
war ein Zeltlager errichtet. Seidene Banner wiegten sich im Wind, und die Zelte schienen in ihrer verschwenderischen Pracht miteinander zu wetteifern. Auf den Hügeln standen Häuser, eingefasst von Säulengängen. Manche der Häuser waren durch lange Laubengänge miteinander verbunden, die ganz von Rosen und Efeu überwachsen waren. So vielfältig waren die Bauwerke rings auf den Hängen, dass sich das Auge nicht abwenden mochte. Was Mandred aber am meisten beeindruckte, war die Tatsache, dass es keinen Wall gab, der die Elfensiedlung umschloss, und keine Wachtürme auf den umliegenden Hügeln. Sie schienen sich völlig sicher zu sein, dass dieses Tal niemals angegriffen werden würde. Selbst die Burg der Königin, so eindrucksvoll ihre himmelhohen Türme auch waren, war kaum dazu geschaffen, als mächtiges Verteidigungswerk zu dienen. Sie sollte wohl eher das Auge eines friedlichen Betrachters erfreuen und nicht etwa beutegierige Eroberer abschrecken.
Mandred und Ollowain folgten einem breiten Weg, der von Bäumen überschattet war, hinauf zum Tor.
Öllampen waren seitlich des Weges entzündet und tauchten ihn in einen goldenen Schein.
Der Tortunnel war kürzer als derjenige bei der Festung am Pass hinter der Shalyn Falah. Elfenkrieger in knöchellangen Kettenhemden lehnten hier auf ihren Schilden. Ihre Blicke folgten Mandred - wachsam, aber unaufdringlich. Im weiten Hof waren kostbar gekleidete Würdenträger versammelt, die ihn ohne Scham musterten. Unter ihren Blicken fühlte sich Mandred schmutzig und unbedeutend. Alle trugen hier kostbar bestickte Gewänder, in denen sich das Licht der Lampen fing. Die Kleider waren voller Perlen und Steine, für die Mandred nicht einmal Namen hatte. Er hingegen war in Lumpen gekleidet: eine zerrissene, blutverschmierte Hose, eine abgetragene Fellweste. Wie ein Bettler musste er ihnen vorkommen. Trotzig reckte er sein Kinn vor. Er würde sich in Stolz kleiden!
Ollowain schwang sich aus dem Sattel. Nun bemerkte Mandred einen feinen Riss im Umhang des Kriegers. Hatte er ihn bei ihrem Duell getroffen? Gewiss würde Ollowain nicht ohne Not ein Kleidungsstück mit einem Riss anlegen.
Auch Mandred stieg ab. Ein bocksbeiniger Kerl eilte herbei, um die Zügel seines Grauen zu nehmen. Mandred betrachtete den seltsamen Pferdeknecht verblüfft. Der Kerl stank wie ein alter Ziegenbock. Schon wieder so ein Tiermensch! Sie durften sogar auf diese prächtige Burg!
Aus der Gruppe der Höflinge löste sich ein hoch gewachsener Elf. Er trug ein langes schwarzes Gewand, gesäumt mit einer Schmuckborte aus silberner Stickerei, die ineinander verwobene Blätter und Blüten zeigte. Silberweißes Haar fiel ihm bis auf die Schultern, und ein Kranz aus hauchzarten, silbernen Blättern ruhte über seinen Schläfen. Das Gesicht war blass, fast farblos, die Lippen nur schmale Striche. In kaltem, hellem Blau brannten seine Augen. Ollowain verbeugte sich knapp vor dem Mann. Der Unterschied zwischen ihnen beiden hätte kaum größer sein können. Sie erschienen Mandred wie Licht und Schatten.
»Ich entbiete dir meinen Gruß, Meister Alvias. Wie unsere Herrin Emerelle es wünschte, habe ich den Menschensohn sicher zur Burg geleitet.« Ollowains Tonfall ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass ihm die Wünsche seiner Herrin Befehl waren.
Die beiden Elfen maßen einander mit Blicken, und Mandred kam es so vor, als hielten sie ein stummes Zwiegespräch. Schließlich gab Meister Alvias Mandred durch eine Geste zu verstehen, dass er ihm folgen solle.
Der Krieger fühlte sich wie in einem Albtraum gefangen, als er hinter Meister Alvias eine breite Treppe emporstieg, die zu einem Säulengang führte. Alles um ihn herum war von beklemmender Schönheit und durchtränkt von fremdem Zauber - ein Ort, so vollkommen, dass es zum Fürchten war.
Sie durchquerten zwei weite Hallen. Jede für sich hätte sein ganzes Dorf aufnehmen können. Von Emporen hingen breite Banner hinab, die mit stilisierten Adlern und Drachen geschmückt waren, aber auch mit Tieren, wie Mandred sie noch nie gesehen hatte. Obwohl der Krieger keinen Luftzug spüren konnte, bewegten sich die Banner, als griffe eine leichte Brise nach ihnen. Noch unheimlicher waren die Wände. Kam man ihnen nahe, so erkannte man, dass sie aus weißem Stein gefügt waren, so wie die Brücke von Shalyn Falah und die Festung jenseits des Engpasses. Doch dem Stein der Burg musste ein Zauber anhaften. Von ihm ging ein blasses, weißliches Licht aus. Schon auf
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