Die Elfen
die Barriere des Devanthars daran, die Zerbrochene Welt zu verlassen. Nuramons Blick fiel auf den Albenstein in Farodins Händen. Er war ihre einzige Hoffnung. Doch sie wussten nichts über diesen Stein und mussten erst lernen, seine Macht zu nutzen. Es mochte Jahre dauern, bis sie die Geheimnisse des goldenen Edelsteins enträtselt hätten. Und diese Zeit hatten sie nicht, denn hier gab es weder Wasser noch Nahrung. Sie würden verdursten, ehe sie den Stein auch nur im Ansatz ergründet hätten.
»Da!«, rief Mandred plötzlich und deutete auf eine der großen Silberplatten, welche den Albenstern umgaben. Der Jarl ging davor in die Hocke.
Nuramon und Farodin blickten ihm über die Schulter. Auf der Fläche der Silberplatte erschien ein Bild, fast wie im Wasserspiegel der Königin. Es zeigte den Fjord von Firnstayn. Sie konnten westlich am Steinkreis vorbei hinab zur Stadt blicken. Es war bereits Morgen, und die Siegesfeuer schienen verloschen zu sein. Der Arm des Fjords erstreckte sich nach Süden. Die Galeeren der Elfen und die schwimmenden Festungen der Trolle waren verschwunden. Entlang der Ufer waren noch die grauen Aschehügel der Scheiterhaufen zu sehen. Es gab keinen Zweifel: Die Silberplatte zeigte Firnstayn nach der Seeschlacht.
Mit einem Mal regte sich etwas. Es waren die Wellen! Sie bewegten sich, als wehte im Fjord ein heftiger Wind. Doch irgendetwas stimmte nicht mit dem Bild. Für starken Wind waren die Wellen viel zu klein. Wolken kamen in Sicht und zogen geschwind über den blauen Himmel. Als die Sonne erschien und sich schnell voranschob, war klar, dass es kein Wind war, der Wolken und Wellen bewegte. Die Sonne strebte rasch zum Horizont, und die Nacht kam mit ihren Sternen, nur um wenige Herzschläge später einem neuen Tag zu weichen.
Die Zeit ging vor ihren Augen vorüber. Nuramon musste an die Höhle des Luth denken. Vor der Eiswand, die ihnen den Ausgang versperrt hatte, hatten sie damals ein ähnliches Lichtspiel beobachtet. Und damals waren sie dreißig Jahre später aus der Höhle herausgekommen.
Mandred sprach aus, was Nuramon dachte. »Bei Luth! Dieser verdammte Devanthar hat uns in die gleiche Falle wie damals gelockt!« Der Jarl schüttelte unglücklich den Kopf und starrte auf seine Stadt.
»Nur ist diesmal niemand da, der uns befreien wird«, sagte Farodin leise. »Wir Narren!«
»Vielleicht kommt die Königin uns zu Hilfe«, wandte Nuramon ein.
»Erinnerst du dich an das, was die Königin gesagt hat?«, fragte Farodin. »Der Devanthar hat mit ihr oder der Trollschamanin gerechnet.«
Nuramon erinnerte sich daran. Die Königin hatte aber auch von anderen Mächtigen gesprochen. Doch das mochte im Augenblick nichts bedeuten. »Du meinst, wir sind nun für die Königin in die Falle gegangen?«
»Ja. Und sie wird alles andere tun, als sich in das Kloster zu wagen, wo der Zauber eines Priesters mit Dämonenblut in seinen Adern sie das Leben kosten könnte.«
Nuramon nickte. Farodin hatte Recht. Sie waren auf sich allein gestellt. »Dann müssen wir versuchen, gegen die Macht des Devanthars anzukommen. Wir haben keine andere Wahl.
Wir können nur hoffen, dass wir irgendwie lernen, den Albenstein zu nutzen.«
»Wie kann das sein?«, rief Mandred.
Nuramon schaute auf die Silberplatte. Tag und Nacht waren nicht mehr zu unterscheiden. Es gab nur das trübe Licht der Dämmerung. Schnee und Gras wechselten sich ab und zeigten, wie rasch die Jahre vorüberzogen. Doch das war es nicht, was Mandred bewegte. Er deutete auf den Steinkreis. Dort war ein Tor zu sehen, aber nicht das Nebeltor, das ihnen vertraut war. Nichts verhüllte die Pforte, sie konnten direkt nach Albenmark schauen, den Hügel hinabblicken und die Turmruine sehen. Sogar Atta Aikhjartos volles Geäst war zu erkennen. »Warum steht das Tor offen?«
Nuramon war entsetzt. Wenn die Zeit so rasch vor ihren Augen vorüberlief, blieb nur das sichtbar, was Bestand hatte. Das waren die Berge, die Stadt, die verschwommene Fläche des Wassers, der Steinkreis und der Blick nach Albenmark. Wenn ein Elf oder ein Mensch vor ihren Augen vorüberginge, würden sie es nicht einmal merken, es sei denn, er würde eine ganze Jahreszeit unbeweglich verweilen. Das Tor nach Albenmark stand offen, während sich die Jahreszeiten immer schneller vor ihren Augen abwechselten. Auch die Stadt wuchs. Immer größer wurde der Hafen. Wie Jahresringe wucherten Häuserreihen über die Mauern hinaus, bis eine zweite, starke Stadtmauer mit hohen Türmen
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