Die Elfen
Selbst unter den Albenkindern gab es nur wenige, die auf ein solches Dasein zurückblicken konnten.
In den fast fünfzig Jahren, die Nuramon in Firnstayn verbracht hatte, war ihm bewusst geworden, wie sehr die Fjordländer Mandred verehrten. Sie sahen in ihm sowohl den glanzvollen Ahnherr als auch den bodenständigen Krieger, der sich nicht zu fein war, mit seinen Nachfahren ein derbes Trinklied anzustimmen. Nuramon musste an die Geschichten der Frauen am Firnstayner Hof denken, die er damals vernommen hatte. Mandred der Liebhaber! Das ließ ihn lächeln. Er erinnerte sich noch an jene Nacht, da er Mandred zum ersten Mal gesehen hatte. Er hatte gehört, dass der fremde Menschensohn die Frauen an Emerelles Hof mit anzüglichen Blicken bedacht hatte. Nuramon war deswegen gegen Mandred voreingenommen gewesen, weil er fürchtete, er könnte Noroelle auf die gleiche Weise ansehen. Doch kaum hatte er den rauen Nordmann erblickt und ihn reden hören, da hatte er nicht umhingekonnt, Gefallen an ihm zu finden. Und während er diesen Gedanken nachhing, beobachtete Nuramon, wie das Grab seines Freundes sich langsam füllte.
Als die Leibwachen der Königin ihre Arbeit getan hatten, wichen sie zurück. Xern trat nun ans Grab und öffnete seine Hand. Darin war eine Eichel, und Nuramon musste an die Worte Yulivees in der Nacht vor der letzten Schlacht denken.
Der Hofmeister sprach: »Dies ist die Eichel Atta Aikhjartos.
Auch im neu erblühten Albenmark wird er der Älteste unter den Seeleneichen sein, ebenso wie Mandred der älteste Mensch von Albenmark war.« Xern kniete sich ans Grab, und sein mächtiges Geweih beugte sich vor. Mit den Händen schuf er eine Mulde, in die er die Eichel Atta Aikhjartos legte. Dann füllte er die Mulde mit Erde. Nachdem er sich erhoben hatte, sagte er feierlich: »Hier wird sich die Seele des alten Eichenvaters mit dem Leib des großen Menschensohnes verbinden. In seiner Weisheit hatte Atta Aikhjarto Mandred einen Teil seiner Macht geschenkt, denn er sah diesen fernen Tag und wusste um das Schicksal des Menschensohns. Und er wusste, dass für seine Seele hier über Mandreds Körper ein neues Leben beginnen würde. Aikhjartos Wurzeln werden Mandred umfassen und das, was von dem Menschensohn zurückblieb, in sich aufnehmen. Ein neues Wesen wird entstehen. Und ihm soll diese Lichtung gehören. Der Albenstern hier ist fortan der des Mandred Aikhjarto.« Xern trat vom Grab zurück und blickte Farodin und Nuramon zuversichtlich an.
Emerelle kam nun vor, fasste die Hand der jungen Königin Gishild und sprach: »Mandred hat wie ein Albenkind gelebt und ist wie einer unserer Helden gestorben. Mit ihm wollen wir jeden Menschen fortan als Albenkind betrachten. Denn selbst die Weisesten unter uns kennen nicht euer Geheimnis. Wir wissen nicht, woher ihr kamt und wohin ihr gehen werdet. Doch mein Herz würde sich freuen, wenn das, was ihr Fjordländer die goldenen Hallen der Götter nennt, nichts anderes wäre als das Mondlicht. Und wenn dies die Wahrheit ist, dann wird Mandreds Seele uns alle eines Tages dort erwarten, auch wenn er seinen Körper hier zurücklassen muss.«
Nuramon kamen erneut die Tränen. Der Gedanke, Mandred im Mondlicht wiederzusehen, rührte ihn. Er glaubte fest daran. Eine Seele verschwand nicht einfach. Und auch wenn fast alle Albenkinder mit ihrem Körper, ja sogar mit dem, was sie auf dem Leib trugen, im Mondlicht verschwanden, so waren es doch ausgerechnet die beseelten Bäume, denen man nachsagte, dass sie ihren Körper zurückließen, um ins Mondlicht zu schweben. Nuramon glaubte daran, dass es Mandred ebenso ergehen würde.
Farodin blickte auf die Stelle, an der Xern die Eichel vergraben hatte. Er und Nuramon hatten sich oft gefragt, wie Atta Aikhjartos Magie Mandred verändert hatte. Nun, am Ende des Weges, hatten sie die Antwort erhalten. Mandred war seit dem Tag, da er nach Albenmark kam, mit Atta Aikhjarto verbunden. Sein Körper würde sich nun mit der Seele Aikhjartos verbinden.
Die Königin berührte Farodin und Nuramon an den Schultern. »Meine beiden treuen Freunde, es ist Zeit für den Abschied. Der Zauber schreitet voran, die Albenpfade in die Andere Welt werden schwächer. Noch habt ihr Zeit dazu, allen euer Lebewohl zu sagen. Kommt!« Emerelle fasste sie beide an der Hand und führte sie zwischen der Trauergemeinschaft hindurch in die Mitte der Lichtung zu den Pferden.
Farodin und Nuramon hatten in der Nacht über Felbion und den Braunen gesprochen und
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