Die Elfen
der Opfergaben waren aus dem Holz gebrochen und hatten tiefe Kerben hinterlassen. Mandred tastete ungläubig über das geschändete Standbild. »Er wird sterben«, murmelte er. »Sterben! Niemand verspottet ungestraft die Götter. Hast du ihn gesehen?«, fuhr er Farodin an.
Der Elf deutete mit Brandans Schwert auf die Höhle. »Ich vermute, dass er uns dort drinnen erwartet.«
Mandred breitete die Arme aus und blickte in den Nachthimmel. »Herren des Himmels und der Erde! Gebt uns die Kraft, euer rächender Arm zu sein! Norgrimm, Lenker der Schlachten! Hilf mir, unseren Feind zu vernichten!« Er wandte sich der Höhle zu. »Und du, Manneber, fürchte meinen Zorn! Ich werde deine Leber den Raben und Hunden vorwerfen!«
Entschlossen ging Mandred auf die Höhle zu und schlug noch einmal das Zeichen des schützenden Auges. Hinter dem Eingang bog ein Tunnel scharf nach links und weitete sich schon nach wenigen Schritten zu einer Höhle, die größer war als die Festhalle eines Königs und von sinnenverwirrender Schönheit.
In ihrer Mitte lag ein großer Felsbrocken. Davor war der Boden von Ruß geschwärzt. Hier musste Luth am Feuer gesessen haben, dachte Mandred ehrfürchtig.
Schimmerndes Eis bedeckte die Wände. Dahinter schienen Lichter gefangen zu sein. Sie sahen wie kleine Flammen aus und wanderten zur Decke hinauf, wo sich ihr Licht in hunderten von Eiszapfen spiegelte. In der Höhle war es fast so hell wie auf einer Wiese an einem Sommertag.
Zwischen den Eiszapfen wuchsen steinerne Säulen von der Decke hinab, um mit mächtigen Steindornen zu verschmelzen, die sich vom Boden emporstreckten. Nie zuvor hatte Mandred so etwas gesehen. Es schien, als wüchse hier der Fels, so wie Eiszapfen von den Dächern der Langhäuser wuchsen. Dies war wahrlich ein Ort der Götter!
Auch die drei Elfen waren eingetreten. Staunend sahen sie sich um. »Ich spüre nur fünf«, sagte Vanna.
Mandred folgte ihren Blicken. Da war niemand außer ihnen! »Fünf was?«
»An diesem Ort kreuzen sich fünf Albenpfade. Dem Kundigen öffnet sich hier ein Weg zwischen den Welten. Wer seine Reise an einem solchen Ort beginnt, der wird nicht verloren gehen. Aber dieses Tor ist versiegelt. Ich glaube nicht, dass wir es öffnen können.«
Mandred sah die Elfe verwundert an. Er verstand kein Wort von dem, was sie sagte. Elfenschnickschnack!
Und ihr sollt dieses Tor auch nicht öffnen, denn eure Reise endet hier, hallte eine Stimme in seinen Gedanken. Erschrocken fuhr der Jarl herum. Im Eingang zur Höhle stand die Bestie. Der Manneber erschien ihm jetzt noch größer als in der Nacht, in der er ihm zum ersten Mal begegnet war. Dabei stand die massige Gestalt sogar gebeugt.
Der Kopf des Devanthars war der Kopf eines Wildebers, dicht behaart mit schwarzen Borsten. Nur seine blauen Augen erinnerten nicht an ein Tier. Sie funkelten spöttisch. Aus seinem Maul ragten Hauer, so lang wie Dolche.
Der Rumpf war wie bei einem kräftigen Mann, doch seine Arme waren viel zu lang und hingen bis fast zu den Knien. Die Beine waren eine Mischform von menschlichen Gliedern und den Hinterläufen eines Ebers. Sie endeten in großen, gespaltenen Hufen.
Das Ungeheuer spreizte die Hände, und aus den Fingerkuppen schoben sich Krallen. Mandred wurde bei dem Anblick mulmig. Der Manneber hatte sich verändert! So lange Krallen hatte er nicht gehabt, als er ihn und seine drei Gefährten auf der Lichtung nahe Firnstayn überfallen hatte.
Der Wolf stieß ein tiefes, kehliges Knurren aus. Er hatte die Ohren angelegt und die Rute zwischen die Hinterbeine geklemmt. Gleichzeitig waren seine Lefzen zurückgezogen, und er zeigte drohend seine Fänge.
Der Manneber legte den Kopf in den Nacken und stieß einen markerschütternden Schrei aus, ein dumpfes Grölen, das immer heller wurde, bis es in schrilles Kreischen überging.
Vanna presste sich die Hände auf die Ohren und ging in die Knie. War das ein Zauber? Mandred stürmte vor. Ein Stück Eis fiel ihm vor die Füße. Erschrocken blickte der Krieger zur Decke. Im selben Augenblick lösten sich hunderte von Eiszapfen. Gleich kristallenen Dolchen fuhren sie hinab.
Mandred riss die Arme über den Kopf, um sich zu schützen. Die ganze Höhle war vom Getöse zerschellenden Eises erfüllt. Etwas schrammte über seine Stirn. Dicht vor ihm schlug ein armlanger Eiszapfen auf den Boden und zerbrach. Dann prasselte es auf seinen Rücken. Wie ein Keulenschlag traf ihn etwas am Hinterkopf.
Vanna lag zusammengekrümmt am Boden.
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